© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Deutscher Erfindergeist in Gefahr
Eine Vorlesung zum Patentrecht soll Naturwissenschaftlern und Technikern helfen / Debatte um Schutz geistigen Eigentums
Christoph Keller

Meine Daten gehören mir!“, plakatiert die Piratenpartei im Wahlkampf. Karl Cammann, Emeritus des Lehrstuhls für analytische Chemie in Münster, sorgt sich mehr um den Schutz geistigen Eigentums in den Naturwissenschaften. Sein Beitrag über deutsche Unis im globalen Wettbewerb erschien in den Nachrichten aus der Chemie (7-8/13), zeitgleich mit der Entdeckung der megalomanischen Datenerfassung anglo-amerikanischer Geheimdienste, die neben Terroristen auch die Wirtschaft (JF 38/13) im Visier haben.

Diesen Aspekt konnte Cammann bei der Abfassung seines Weckrufes noch nicht berücksichen, so daß sein Reformvorschlag, die Innovationen deutscher Wissenschaft durch eine verbesserte „Patentierungsstrategie“ abzuschirmen, mindestens ergänzungsbedürftig ist. Zutreffend bleibt sein Befund, Deutschland als rohstoffarmes Land werde nur durch intellektuelle Fähigkeiten und äußerste Steigerung seiner technologischen Leistungsfähigkeit den bisherigen Wohlstand sichern können, da anders keine zukunfts- und exportfähige Massenproduktion möglich sei.

Diese Ausgangslage scheine die Berliner Wissenschaftspolitik nicht mit gebotener Klarheit zu erkennen. 2010 habe China Deutschland erstmals in bezug auf Forschungs- und Entwicklungsausgaben überholt. 2020 werde weltweit fast jeder zweite Hochschulabsolvent aus Indien oder China stammen. Nur mit exzellenter Bildung und Ausbildung lasse sich daher technologisches Spitzenniveau halten, sonst drohe der Abrutsch zur „Basar-Ökonomie“ (Hans-Werner Sinn). Die notorische Unterfinanzierung deutscher Hochschulen zeigt sich am deutlichsten in Cammanns eigenem Fach, der Chemie. Seit Jahren dominieren im Ranking die USA mit acht unter den führenden zehn, mit 17 unter den führenden 20 Universitäten. 2012 gelang allein der TU München eine Einordnung an zwölfter Stelle.

Als noch bedrohlicheres Alarmsignal wertet der Emeritus indes die Tatsache, daß sich auf der Rangliste der weltweit aktivsten Patentanmelder im vorigen Jahr keine deutsche Hochschule oder Forschungseinrichtung befand, wohl aber drei französische und vier südkoreanische. Und unter den Forschungsabteilungen von Unternehmen tauchte sogar nur die von Siemens auf.

Um das innovative Potential universitärer Grundlagenforschung umfassender zu erschließen, empfiehlt Cammann, für naturwissenschaftliche und technische Fächer eine Vorlesung „Patentrecht“ ins Pflichtprogramm zu nehmen. Die Nachwuchswissenschaftler würden damit auf die wirtschaftliche Dimension ihres Forschens aufmerksam. Nur vertiefte patentrechtliche Kenntnisse hielten sie von „schädlichen Vorveröffentlichungen“ ab. Wenn das Bewußtsein dafür steige, wenigstens ein provisorisches Patent vor jeder Publikation beim Deutschen Patent- und Markenamt für günstige 60 Euro anzumelden, verhindere dies zumindest die Einfuhr von Plagiatprodukten, die aus China oder den USA aufgrund auf den deutschen Markt strömen. Auch die Brüsseler Kommission sei inzwischen bemüht, europäische Forschungsleistungen und ihre ökonomischen Erträge patentrechtlich gründlicher abzusichern und auszuschöpfen.

Ab 2014 kostet die bisher fast 60.000 Euro teure Anmeldung eines Patents, das 20 Jahre vor der Einfuhr von Plagiaten schützt, die aufgrund „gestohlener“ Erfindungen in den EU-Raum gelangen, nur noch 5.000 Euro.

Deutsches Patent- und Markenamt: www.dpma.de

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