© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Immer schön lächeln fürs Fernsehen
Als bestellter Jubler in Stuckrad-Barres „Late-Night-Show“ / Freibier und Stimmung wie auf Kaffeefahrt
Christian Vollradt

Und jetzt begrüßen Sie mit einem donnernden Applaus Ihren Gastgeber hier im Studio – Benjamin von Stuckraaaaaad-Barreeeeee!“ Die Stimme aus dem Lautsprecher klingt wie ein Ansager beim Kirmes-Boxen. Das Publikum klatscht, ich auch; mit geschätzt achtzig anderen Leuten bin ich an diesem frühen Mittwochabend in einem Fernsehstudio in Berlin, zur Aufzeichnung der „Late-Night-Show“ von Benjamin von Stuckrad-Barre, die donnerstags im Spätprogramm bei Tele 5 läuft.

Am Tag zuvor hatte ich bei der Casting-Agentur angerufen, die für die Zuschauerkarten zuständig ist. Eigentlich wollte ich zur Sendung mit der CSU-Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär an einem anderen Tag, aber offenbar war der Termin mit Patrick Döring noch ein Ladenhüter. „Können Sie nicht morgen schon?“ fragt mich die nette Dame vom Callcenter – und sie klingt ziemlich flehend. Okay, sage ich, überredet, dann halt morgen. Ist ja eigentlich auch egal. Es geht mir sowieso mehr um die Atmosphäre.

Das Gebäude mit dem Studio liegt in Berlin-Kreuzberg direkt an der Spree, hier haben sich viele Firmen angesiedelt, die „was mit Medien machen“. Am Eingang nenne ich meinen Namen, ich stehe auf der Liste; rasch noch eine Karte ausgefüllt – Name, Wohnort, Beruf, Unterschrift: Ich erkläre mich einverstanden, daß ich im Fernsehen gezeigt werde. Logisch. Nach meinem Recht am persönlichen Bild gebe ich noch meine Jacke ab. Dafür darf ich mir aus einem Kühlschrank an der Garderobe ein Bier nehmen. Wahrscheinlich zum Lockerwerden. Außerdem gibt es Fähnchen mit Parteilogos, CDU, FDP und Linke.

Dann geht es in das Studio, eine Mitarbeiterin verteilt die Zuschauer auf die Plätze, wer nach links dirigiert wird, ist häufiger im Bild, ältere Herrschaften werden am Rand plaziert. Die Mehrheit ist ohnehin eher im studentischen Alter; die Stimmung ähnelt trotzdem der einer Kaffeefahrt, nur eben für die Generation Club Mate: Zwar weiß keiner, wo es hingehen soll, aber dafür ist es ja auch umsonst.

Während wir nun also ordentlich klatschen, blendet ein Scheinwerfer auf, und es erscheint: Mike. Haha, veräppelt, das war nur erst mal zum Aufwärmen; und genau dafür ist Mike da. Er erklärt uns, wie das gleich funktioniert in der Sendung. Daß wir alle total begeistert gucken sollen, selbst wenn wir vielleicht gar nicht so begeistert sind; aber das sähe sonst doof aus im Fernsehen, wenn alle nur gelangweilt guckten.

Wer die Sendung denn überhaupt schon mal gesehen habe, fragt der Aufwärmexperte. Fast alle melden sich, aha – meint Mike nicht ohne Selbstironie, das entspreche ja der Zuschauerquote von Tele 5.

Dann wird erklärt, wo überall die Kameras sind, daß wir die Handys unbedingt ausmachen sollen, aber ruhig husten dürfen. Es wird sofort gehustet, und Mike sagt, ja, das sei immer so, voll witzig, ne?

Als Mike dann seine Gags gemacht hat, erscheint tatsächlich der Moderator Benjamin von Stuckrad-Barre. Elegant im enggeschnittenen Anzug, Krawatte, eine rosafarbene Swatch am Arm. Auch er blödelt rum, gibt seinerseits Mike einen mit, reicht einen Teller mit Salzgebäck und Süßigkeiten herum und fragt ein paar Zuschauer nach ihrer Meinung zur FDP. Denn um die geht es, prominenter Gast des Abends ist schließlich der Generalsekretär der Liberalen, Patrick Döring.

Der hat kein Heimspiel, nur 3,7 Prozent im Studio haben bei der internen „Sonntagsfrage“ für seine Partei votiert. Als Moderator Stuckrad-Barre eine Zuschauerin bittet, die Augen zu schließen und dabei an die FDP zu denken, lachen alle im Studio. Allerdings nicht, weil das so lustig ist, sondern weil diese scheinbar spontane Frage bereits beim Aufwärmen ohne Kameras durchexerziert worden war.

Promi-Gast Döring, ganz Profi, gibt sich glatt wie ein Steinhuder Aal. Konzentriert hält er sich auf dem schmalen Grat zwischen Spaßbremse und Zum-Affen-Machen. Verfällt er in Politikerphrasen, weist der Moderator ihn zurecht: „Jetzt mal nicht soviel Nulltext.“

Stuckrad-Barre seinerseits agiert vollkommen humorlos, als er den FDP-General wegen einer angeblich homosexuellenkritischen Ansicht eines FDP-Kandidaten aus Baden-Württemberg angeht und dessen Parteiausschluß fordert; bei solchen Positionen dürfe es doch nur null Toleranz geben.

Als die Sendung im Kasten ist, muß noch ein Sendehinweis gedreht werden. Weil es Stuckrad-Barre zu mühselig ist, die Ansage zu machen, bietet sich meine aufgekratzte Sitznachbarin an, den Text vorzulesen. Bereits beim „Warm-up“ war sie sichtlich begeistert von der Aussicht, ins Fernsehen zu kommen. Weil an mir dieser Kelch vorübergegangen ist, nehme ich im Gehen noch ein Bier, lege meine Fähnchen an der Garderobe ab und verschwinde in den verregneten Berliner Abend.

Die Sendung im Internet: www.ulmen.tv

Foto: Blick ins Studio, Patrick Döring (l.) und Benjamin von Stuckrad-Barre am Sax: Schmaler Grat zwischen Spaßbremse und Zum-Affen-Machen

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