© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

„Lassen Sie sich überraschen"
Die Bundesrepublik Deutschland hat gewählt, nun wählt Österreich: Am Sonntag schickt sich die FPÖ unter ihrem dynamischen Spitzenmann Heinz-Christian Strache an, sich zu alter Größe aufzuschwingen und die Zwanzig-Prozent-Marke zu überschreiten.
Moritz Schwarz

Herr Strache, wieviel Prozent holt die FPÖ am Sonntag?

Strache: Wir werden unseren Wähleranteil ausbauen und zwanzig Prozent plus x erreichen.

Moment, beim Wahlkampfauftakt im August sprachen Sie noch von einem Ergebnis „in Richtung dreißig Prozent“.

Strache: Da haben Sie recht, das ist auch kein Widerspruch. Wörtlich habe ich gesagt, unser Ziel ist es, „so deutlich über zwanzig Prozent zu kommen, daß es in Richtung dreißig geht“. Das ist ein hochgestecktes Ergebnis, aber ich bin sicher, wir schaffen das.

Die Meinungsumfragen sehen Sie allerdings bei zwanzig Prozent – kein „plus x“.

Strache: Bei den Wiener Landtagswahlen 2010 wurden uns in den Umfragen bis 18 Prozent prognostiziert, am Wahlabend waren es dann aber stolze 27 Prozent. Bei der letzten Nationalratswahl 2008 hat die FPÖ 6,5 Prozent zugewonnen. Das war ein großer Erfolg, jetzt werden wir auf dieser Basis weiter zulegen.

Damals gab es noch keinen Frank Stronach auf dem Wahlzettel, jenen austro-kanadischen Milliardär, der in Österreich inzwischen die Anti-Euro-Fronde anführt.

Strache: Stronachs Kunstpartei, das „Team Stronach“, ist ein Strohfeuer, das bereits erlischt.

Sind Sie sich da so sicher?

Strache: Auf jeden Fall.

Gut, noch im Juli sagten die Demoskopen dem Team Stronach bis elf Prozent voraus, inzwischen sind es nur noch sechs bis neun Prozent. Aber könnten das nicht genau Ihre „x“ Prozent sein, die Sie für „in Richtung dreißig Prozent“ brauchen?

Strache: Stronach befürwortet einen Nato-Beitritt Österreichs und bewertet die NSA-Abhöraktionen positiv. Daneben phantasiert er von der Todesstrafe für irgendwelche „Berufskiller“. Die FPÖ dagegen will nicht zurück zur Todesstrafe. Stronach war außerdem immer auch ein Teil des rot-schwarzen Systems, mit egozentrischen Konzerninteressen und mit rot-schwarz-orangefarbenen Polit-Marionetten an seiner Seite.

Was meinen Sie damit konkret?

Strache: Herr Stronach hat sich den späteren Finanzminister Karl-Heinz Grasser ebenso eingekauft wie die ehemalige ÖVP-Landeshauptfrau – das ist bei Ihnen eine Ministerpräsidentin – Waltraud Klasnic oder den ehemaligen SPÖ-Vizekanzler Franz Vranitzky. Er hat sie als Berater eingekauft, und so wurde zum Beispiel dafür Sorge getragen, daß Stronachs Magna-Konzern bei der Privatisierung übernommen werden konnte. Dabei mußte kein Eigenkapital eingesetzt werden, weil man so über Landes- und Bundesförderungen und österreichische Kredite das nötige Geld flüssig machen konnte.

Selbst wenn alle Ihre Vorwürfe zutreffen sollten, dennoch könnte sich Stronach neben der FPÖ doch als kleine Alternative etablieren.

Strache: Da wird wohl der Wunsch der Vater des Gedankens bleiben.

Im TV-Duell gegen Stronach haben Sie sich nicht so unversöhnlich gezeigt.

Strache: Bitte? Ganz im Gegenteil, ich habe Stronach in der Sache wiederholt attackiert.

Kommentatoren sprachen von „überraschender Einigkeit“, von einer „erstaunlich amikalen“ Atmosphäre zwischen Stronach und Ihnen und davon, daß das Duell „Wählern, die zwischen FPÖ und Stronach schwanken, keine Klarheit gebracht hat“.

Strache: Ich habe Frank Stronach Anerkennung gezollt für seine wirtschaftliche Leistung, ja. Die hat er auch verdient. Er ist ein echter Selfmademan, kam mit zweihundert Dollar und ohne Englischkenntnisse nach Kanada und hat es zum erfolgreichen Industriellen gebracht. Aber er ist kein österreichischer Patriot. Er lebt über die Hälfte des Jahres in Kanada und ist ein Steuerflüchtling im Steuerparadies Schweiz, wo er dank eines weiteren Wohnsitzes einen Großteil seiner Steuern zahlt. Ich habe ihm daher auch gesagt, daß er nach meiner Ansicht in der österreichischen Politik nichts zu suchen hat. Stronach hat mitunter skurrile und auch witzige Auftritte, und in Sachen Euro redet er erfreulicherweise Klartext. Aber es gibt bei ihm etliche Punkte, da muß ich deutlich sagen, daß das nicht mehr lustig ist!

Stronach bekundet, er sei froh, daß Sie zu seiner Zeit nicht kanadischer Innenminister gewesen seien, denn „sonst hätte ich nie eine Einwanderungsbewilligung gekriegt“.

Strache: Das mag er ja vielleicht für eine nette Pointe halten, aber es ist doch völlig unsachlich. Die FPÖ tritt für einen Zuwanderungsstopp für Einwanderer von außerhalb der Europäischen Union ein. Und vor allem brauchen wir keine weiteren Zuwanderer aus islamischen Ländern. Das sind Antworten auf die Probleme, vor denen die Österreicher stehen. Die habe ich bei Stronach in vieler Hinsicht vermißt.

Mit der FPÖ gibt es zwar schon eine Euro-kritische Partei in Österreich. Doch warum kann sich Herr Stronach dann überhaupt mit dem Thema profilieren? Offenbar ist doch die FPÖ nicht überzeugend genug!

Strache: So ist es eben nicht. Vielmehr gibt es auch hier eine große Differenz zwischen der veröffentlichten Meinung und dem tatsächlichen Stimmungsbild in der Bevölkerung. Es ist die FPÖ, die bei den Menschen als „die“ Euro-kritische Partei gesehen wird, das zeigt sich auch bei den vielen Bürgerkontakten.

Herr Strache, Sie bleiben allerdings eine Erklärung für Stronachs relativen Umfrage-Erfolg konsequent schuldig.

Strache: Stronach verdankt seinen Zuspruch in den Umfragen eindeutig seiner Unterstützung in den Medien. Das ist auch kein Wunder, immerhin hatte er angekündigt, 25 Millionen Euro in seinen Wahlkampf zu pumpen. Da fallen natürlich Millionen Euro für Inserate ab, und zudem schreibt man dann über einen potenten Inserate-Kunden auch nicht schlecht. Frank Stronach ist ein 81jähriger Mann, er kann gar kein nachhaltiger Zukunftsrevolutionär für Österreich sein. Ich sage voraus, daß weder das BZÖ noch das Team Stronach in Zukunft eine Rolle spielen werden. Diesen Parteien wird es ergehen wie der Brüsselkritischen Liste von Hans-Peter Martin, den Piraten oder der frühen FPÖ-Abspaltung „Liberales Forum“. All das sind Retortenparteien, die die Mühen des politischen Arbeitsalltags nicht meistern. Die Schicksalsfrage dieser Nationalratswahl ist also nicht ein Micky-Maus-Thema wie, kommt das BZÖ mit vier Prozent oder Stronach mit fünf, sechs, sieben Prozent ins Parlament, sondern: Wird es die FPÖ schaffen, zur bestimmenden politischen Kraft im Duell gegen die SPÖ und ihren derzeitigen Bundeskanzler Werner Faymann zu werden? Schafft es Österreich, diese rote Belastungsregierung endlich abzustrafen?

Sie haben selbst Anspruch auf die Kanzlerschaft angemeldet. Meinen Sie das ernst?

Strache: Natürlich. Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP werden nach bisherigen Umfragen am Sonntag jeweils das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der beiden Parteien einfahren. Wenn es gelingt, SPÖ und ÖVP so stark zu schwächen, daß deren Parteichefs abgesetzt werden, könnte neues Personal ans Ruder kommen, das die bisherige Ausgrenzung gegenüber den Freiheitlichen beenden könnte.

Jetzt erwidere ich: Da ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens.

Strache: Ich bin überzeugt, daß die Nationalratswahl zur Abrechnung mit den Koalitionären SPÖ und ÖVP wird. Diese haben Stillstand und zum Beispiel den Verlust des Triple A für Österreich verursacht. Nun versuchen sie, lediglich mit Scheinaktivitäten wie der Schuldenbremse abzulenken. Und auch der Tatsache, daß der Euro gescheitert ist, wollen sich SPÖ und ÖVP nicht stellen.

Und unter einem Bundeskanzler Strache, was käme da? Wenn Ihre Euro-Kritik konsequent ist, müßten Sie zum Schilling zurückkehren.

Strache: Theoretisch ist eine Rückkehr zum Schilling möglich, allerdings ist das keinesfalls die optimale Lösung.

Moment, im Österreichischen Fernsehen haben Sie die Rückkehr zu den nationalen Währungen in Europa gefordert!

Strache: Ich habe gesagt, es muß diskutiert werden können, ob es vernünftig ist, notfalls zu den nationalen Währungen zurückzukehren. Denn derzeit wird auf eine wirklich offene Debatte aus politisch korrekten Gründen verzichtet. Das aber ist die Gefahr, daß die Euro-Debatte weiter als Glaubensdebatte geführt wird und nicht, wie angesichts der Lage endlich notwendig, als eine ökonomische Diskussion.

Und was ist nach Ihrer Ansicht die Lösung?

Strache: Dieser Euro ist ein Faß ohne Boden und wird zu nichts mehr führen als zur Potenzierung des Problems. Am Ende könnte ein Schuldenberg von 3.000 Milliarden Euro drohen, den dann Deutschland, Holland und Österreich für den Rest der Euro-Zone bezahlen müßten. Eine Wahnsinns-Summe, die sich keiner mehr vorstellen kann. Deshalb plädieren wir für eine Beendigung des Rettungsirrsinns, das heißt einen Ausstieg aus dem ESM-Rettungsmechanismus und statt dessen eine Aufteilung des Euro in eine Hartwährungszone mit Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Finnland und anderen stabilen Staaten sowie in eine Weichwährungszone. In der Hartwährungszone müssen dann die Maastricht-Stabilitätskriterien wieder verpflichtend hergestellt sowie die „No-Bail-out“-Klausel fest verankert werden. Außerdem darf die EZB keine weiteren Aufkäufe von Staatsanleihen mehr durchführen.

In Österreich gibt es ab Sonntag mit FPÖ und Team Stronach wohl zwei Euro-kritische Fraktionen im Parlament, während in der Bundesrepublik Deutschland die Euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) gerade an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist.

Strache: Das ist sehr bedauerlich, denn eine starke Euro-kritische Stimme fehlt gerade in Deutschland. Der AfD ist es aber anzurechnen, daß sie die Kritik an Währungsunion und EU öffentlich gemacht hat. Allerdings steht im Mai 2014 die Europawahl an, die AfD hat also noch eine zweite Chance.

Für die Europawahl erwägen Sie, durch gemeinsame europäische Listen mit einem Kooperationspartner FPÖ-Wahlkampf auch in der Bundesrepublik zu machen. Jedoch wurde die entsprechende Wahlrechtsänderung nach unseren Informationen nicht, wie notwendig, von allen EU-Staaten ratifiziert. Was wird nun aus Ihrem Vorhaben?

Strache: Wir arbeiten weiter an dem Ziel, eine gemeinsame politische Vertretung der patriotischen Parteien in der Europäischen Union zu schaffen. Ziel ist ein Europa, das im Inneren möglichst föderativ und dezentral organisiert ist und das die Vielfalt der Kulturen, Sprachen und Völker nicht nur bewahrt, sondern bewußt weiterentwickelt. Es ist uns außerdem gelungen, eine politische Partei auf europäischer Ebene zu gründen, die Europäische Allianz für Freiheit (EAF), der Mitglieder des Front National, der United Kingdom Independence Party, des Vlaams Belang, der Schwedendemokraten und der FPÖ angehören und deren Vorsitzender der freiheitliche EU-Parlamentarier Franz Obermayr ist.

Das heißt, aus einem FPÖ-Europawahlkampf in der Bundesrepublik wird nichts?

Strache: Sag niemals nie!

Bisher möchte die AfD mit der FPÖ nichts zu tun haben. Haben Sie dennoch schon mal versucht, Kontakte zu knüpfen?

Strache: Derweil gibt es noch keine Kontakte, aber man wird sehen, was die Zukunft bringt. Wir haben in den letzten Jahren allerdings anderweitig sehr gute Kontakte in die Bundesrepublik aufgebaut.

Und zu wem konkret?

Strache: Da bitte ich Sie bis zur Europawahl noch um Geduld. Lassen Sie sich einfach überraschen.

 

Heinz-Christian Strache ist Partei- und Fraktionschef sowie Spitzenkandidat der FPÖ bei der Wahl zum österreichischen Parlament – dem Nationalrat – am kommenden Sonntag. Geboren 1969 in Wien, begann Strache zunächst Geschichte und Philosophie zu studieren, bevor er sich als Unternehmer selbständig machte. Nachdem Jörg Haider die FPÖ 2005 verließ und die neue Formation Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gründete, wurde Strache neuer Parteichef, 2006 zudem Vorsitzender der Fraktion im Nationalrat. Unter ihm gelang den 1955 gegründeten Freiheitlichen der langsame Wiederaufstieg. Zwar war die FPÖ 1999 mit 26,9 Prozent zweitstärkste Kraft und, in einer Koalition mit der ÖVP, Regierungspartei geworden, doch interne Querelen führten bei Neuwahlen 2002 zum Absturz auf zehn Prozent. Unter Strache errang die FPÖ bei der letzten Nationalratswahl 2008 wieder 17,5 Prozent und stellt seitdem die drittstärkste Fraktion.

 

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