© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Hessische Hängepartie
Hessen: Nach der Landtagswahl droht eine langwierige und schwierige Regierungsbildung
Ansgar Lange

Den direkten Vergleich hat Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gegen seinen Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) für sich entscheiden können: Im Wahlkreis Gießen II entfielen 46,9 Prozent der Erststimmen auf den nicht besonders beliebten Landesvater, während „TSG“ auf 39,3 Prozent kam.

Doch dieses Zahlenspiel sagt wenig aus. Auch wenn Bouffier nun vermeintlich kraftstrotzend seinen politischen Führungsanspruch anmeldet, hat der lange unterschätzte Sozialdemokrat mit den dicken Brillengläsern mit Fleiß und Geschick die SPD aus dem Ypsilanti-Tief geholt. Schwarz-Gelb wurde in Hessen abgewählt, weil zu keinem Zeitpunkt so etwas wie eine christlich-liberale Handschrift erkennbar war. Bis Anfang 2014 wird die abgewatschte Regierungskoalition aber noch im Amt sein.

FDP-Spitze räumt das Feld

Die Union verbesserte sich marginal von 37,2 Prozent (2009) auf 38,3 Prozent. Die Liberalen erzitterten mit genau 5,0 Prozent erst tief in der Nacht den Wiedereinzug in den hessischen Landtag. Von ihrem historischen Tiefpunkt von 23,7 Prozent vor vier Jahren kletterten die Sozialdemokraten diesmal auf 30,7 Prozent. Während die Grünen (11,1 Prozent) und die Linke (5,2 Prozent) dem neuen Parlament angehören werden, scheiterte die Alternative für Deutschland (AfD) mit beachtlichen 4,0 Prozent.

Die Kritiker einer vermeintlich „alternativlosen“ Euro-Rettungspolitik wollen „langfristig auf Landesebene die Politik mitgestalten“, auch wenn ihr Ergebnis im Bund mit 4,7 Prozent besser ausfiel (siehe Seite 9). Immerhin konnte die AfD nur wenige Monate nach ihrer Gründung einen Achtungserfolg erzielen, der noch weiter ausgebaut werden kann. Ob die CDU auch in Zukunft Koalitionen mit dieser Partei ausschließen kann, wenn die FDP langsam dahinsiecht, wird abzuwarten sein. Es ist aber zu vermuten, daß die Union sich die AfD als Fleisch vom eigenen Fleische vom Leib halten und als „Demagogen“ darstellen wird, mit denen keine Zusammenarbeit möglich sei.

Der hessische Landesverband der AfD verweist zu Recht darauf, daß man das eigene respektable Abschneiden ausschließlich ehrenamtlichem Engagement verdankt, während die Altparteien auf etablierte Strukturen und professionelle Werbeagenturen setzen konnten – und darauf, daß der Versuch, die AfD als „rechtspopulistisch“ zu diskreditieren, bei den Medien und bei einigen potentiellen Wählern verfangen dürfte.

Bouffier, dessen Regierung nach einer ersten Analyse der Forschungsgruppe Wahlen eine schwache Leistungsbilanz attestiert wurde, muß nun etliche Kröten schlucken, um mit den Roten oder Grünen unter die Koalitionsdecke schlüpfen zu dürfen. Je länger diese Hängepartie dauert, um so größer sind die Chancen für ein dunkelrot-grünes Bündnis. Das Risiko eines solchen Wortbruchs wäre für Schäfer-Gümbel allerdings unkalkulierbar, da er seinen Ruf als seriöser, solider und verläßlicher Politiker aufs Spiel setzen würde.

So ist, wie schon von Beobachtern vor der Wahl vorhergesagt, die große Koalition die wahrscheinlichste Variante. Die Genossen werden die Preise hierfür ordentlich hochtreiben. Anders als Frau Merkel traut man Bouffier jedoch nicht zu, die SPD mit einer liebevollen Umarmung zu erdrücken und ihr langsam den Lebenssaft aus den Adern zu pressen.

Offen bleibt auch, ob die Liberalen in Hessen wieder zu mehr Stärke finden oder zwischen der eventuell wieder regierenden CDU und einer außerparlamentarischen Opposition der AfD zerrieben werden. Um den politischen Neuanfang zu wagen, stellen Vorstand und Präsidium der FDP ihre Ämter zur Verfügung. Der blasse Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn will nicht mehr kandidieren. Wer personell für den Generationenwechsel der hessischen Liberalen stehen wird, kann jetzt noch nicht vorhergesagt werden. Vielleicht war der denkbar knappe Einzug in den neuen Landtag ja auch nur der Kuß vor dem endgültigen landespolitischen Tod der Partei.

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