© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Straches Strategiewechsel
Nationalratswahl Österreich: Die FPÖ spürt trotz Fehlschlägen und Konkurrenz wieder Aufwind
Reinhard Liesing

Für die Nationalratswahl in Österreich rechnet sich am kommenden Sonntag besonders die zersplitterte Opposition Chancen aus. Vom Abschneiden der Euro-kritischen AfD in Deutschland sehen sich besonders die Parteien rechts der Mitte beflügelt. Vor allem geht es darum, aus dem politischen Ansehensverlust der großkoalitionären SPÖ/ÖVP-Regierung (JF 39/13) Nutzen zu ziehen.

Im Gegensatz zu den Grünen, die sich in der Hoffnung, für SPÖ und ÖVP werde es nicht mehr zu einer Regierungsmehrheit reichen, bereits als Partner für eine Dreier-Koalition anbieten, kann diese Option für die Freiheitliche Partei (FPÖ) und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) kaum in Frage kommen – sie wären indes gewiß dazu bereit, so sich SPÖ oder ÖVP ihren europapolitischen Positionen öffneten, was aber auszuschließen ist.

Im politischen Spektrum rechts der Mitte, das mit dem Antreten des austrokanadischen Milliardärs Frank Stronach, dem es mit seinem gleichnamigen „Team“ binnen kurzem gelang, in die Landtage Niederösterreichs, Kärntens und Salzburgs einzuziehen, einen direkten Konkurrenten erhielt, muß sich vor allem das liberal-bürgerliche, sich selbst als rechtsliberal bezeichnende BZÖ unter Josef Bucher Sorgen um das Überspringen der Vier-Prozent-Hürde machen. Die FPÖ hingegen, von der sich das BZÖ 2005 – unter dem drei Jahre später tödlich verunglückten Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider – abspaltete, dürfte ihren Rang als schlagkräftigste Oppositionspartei auch in der kommenden, fünf Jahre währenden Legislaturperiode bewahren.

Die von Heinz-Christian Strache geführte Partei hat ihr Formtief, das mit Stimmverlusten bei den Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Tirol einherging und eng mit dem Aufstieg des Teams Stronachs verknüpft war, mittlerweile überwunden. Hatte die FPÖ vor fünf Jahren „nur“ 17,5 Prozent der Stimmen erzielt – Haider hatte in der Nationalratswahl 2008, drei Wochen vor seinem Unfalltod für das BZÖ gut zehn Prozent eingefahren –, so prognostizieren ihr die Meinungsforscher jetzt ein Ergebnis über 20 Prozent.

So rasch kann sich eben das Stimmungsbild ändern: Vor einem Jahr noch lag die FPÖ in den Umfragen bei knapp 30 Prozent vor der SPÖ. Die Gründung des Teams Stronach und einige – vornehmlich in Kärnten angesiedelte – Korruptionsaffären drückten sie indes rasch unter 20 Prozent.

Doch just auch dank Stronach selbst, dessen Auftritte mitsamt ständig wiederholten stereotypen wirtschaftspolitischen Aussagen im Frage-Antwort-Spiel der TV-Duelle seinem „TS“ demoskopisch schaden, ist die FPÖ wieder im Aufwind.

Das hat auch damit zu tun, daß Strache, wie die konservativ-liberale Presse unlängst bemerkte, einen „Wahlkampf mit Schalldämpfer“ geführt habe und sich „neuerdings milde und sachlich“, ja geradezu „staatsmännisch“ gebe. Besonders in der direkten TV-Konfrontation mit Stronach, aber auch mit Vizekanzler und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger, mit Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann und sogar mit der Bundesvorsitzenden der Grünen Eva Glawischnig ist das deutlich geworden. „HC“ Strache, so die Presse, würdige seine Gegner nicht mehr herab, sondern kritisiere sie zivilisiert. Stronach, seinem ärgsten Konkurrenten, begegnete Strache im ORF-„Duell“ sogar mit Respekt, ließ für dessen Lebenswerk – globale Unternehmen der Autozulieferindustrie mit mehr als hunderttausend Beschäftigen – Bewunderung durchklingen. Straches Intention: mit sachlichem Stil neue Wählerschichten erschließen, die sich von dessen bisherigem „temperamentvollen“ und „hektischen“ (der ehemalige FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer) Auftreten abgestoßen fühlten.

Gleichwohl setzte seine Partei im stark vom Internet- und Netzwerke-Wahlkampf dominierten Finale wieder auf Angriff: So veröffentlichte sie wieder „Sagen aus Österreich“ im Comic-Format. Der „H.C. Man“ zieht darin auf gewohnte Weise mit Slogans wie „Daham statt Islam“ und „De solln sich schleichn“ gegen „Radikalislamisten“ und EU zu Felde.

Dieser Strategiewechsel scheint aufzugehen. Für den EU-Abgeordneten Andreas Mölzer (FPÖ) zeigte es sich, „daß wir im selben Ausmaß dazugewinnen, in dem Stronach verliert“.

Ob sich die von der Demoskopie gemessene verbesserte Stimmung für die FPÖ am Sonntag dann tatsächlich auch in Stimmen niederschlägt, hängt entscheidend vom Landesergebnis im FPÖ-Stammland ab. Doch gerade Kärnten bereitete der FPÖ-Führung Sorgen. „Die Kärntner sind nach wie vor enttäuscht. Das bekommt man nicht so schnell aus den Köpfen heraus“, erklärte der in Kärnten beheimatete Mölzer und stapelte tief: „Schon super wäre, wenn wir bei der Nationalratswahl wenigstens den Kern halten könnten, also 15 bis 20 Prozent.“

Bescheiden angesichts des Umstands, daß Haider 2008 mit dem BZÖ in Kärnten 38,5 Prozent geholt hatte und die FPÖ zudem 7,6 Prozent errang. Fast die Hälfte der Wähler stimmten damals somit für Freiheitliche. Noch ein weiterer Kärntner sorgte in der letzten Phase des österreichischen Wahlkampfs für Aufsehen und setzte die Bewerber sowie die Demoskopen in Aufruhr. Wie Stronach ein schwerreicher: Hans Peter Haselsteiner, viele Jahre Chef, jetzt Aufsichtsratsvorsitzender, des drittgrößten europäischen Baukonzerns, der Strabag AG, tritt als Finanzier und Spitzenkandidat der „Neos – das Neue Österreich“ an.

Sollte diese wirtschaftsliberale Neugründung des Jahres 2012, die in Gemeinschaft mit dem ehedem dem Nationalrat angehörenden Liberalen Forum, für das Haselsteiner schon einmal im Parlament saß, am Sonntag die vier Prozentpunkte überspringen, ginge dies zu Lasten von ÖVP, Grünen und Stronachs TS, ein wenig vielleicht auch des BZÖ. Die FPÖ und deren Wahlchancen können Haselsteiner und seine – vornehmlich im städtischen liberalen Milieu beheimateten – Neos hingegen keinesfalls schwächen.

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