© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Hungrige Wölfe
Praktiker: Trotz teurer Berater konnte die Pleite nicht verhindert werden / Mangelnder Sachverstand?
Christian Schreiber

Geht nicht? Gibt’s nicht!“ oder „20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“ – mit diesen Werbesprüchen brannte sich Praktiker in die Hirne der Kunden. Damit ist es vorbei, seit zwei Wochen läuft der Ausverkauf. Selbst auf Tierfutter gibt es nun Rabatte, denn: „Alles muß raus – wir schließen!“ Die Baumarktkette ist insolvent, Tausende Beschäftigte stehen vor der Arbeitslosigkeit. Mit trüben Aussichten, denn jede zweite „Schlecker-Frau“ ist noch arbeitslos. Nur für wenige Praktiker-Märkte sind bereits Käufer in Sicht. Für die unter „Max Bahr“ firmierenden Märkte besteht noch Hoffnung. Hier geht der Verkauf uneingeschränkt weiter.

Die Probleme der einst viertgrößten Baumarktgruppe in Deutschland waren jahrelang bekannt (JF 21/12). Kaum bekannt war dagegen die Tatsache, daß der Praktiker-Vorstand mit Millionen für externe Beratungsdienstleister nur so um sich geworfen hat. In den Jahren 2011 und 2012 seien rund 70 Millionen Euro für Unternehmensberater, Rechtsanwälte und Finanzdienstleistungen angefallen, im ersten Halbjahr 2013 kam ein zweistelliger Millionenbetrag hinzu, berichtete das Magazin Capital.

Die einstige Praktiker-Großaktionärin Isabella de Krassny griff die früheren Chefs scharf an. „Diesem Aufsichtsrat ist es zwei Jahre nur darum gegangen, seinen Arsch zu retten. Es gibt keinen Berater, den wir nicht hatten. Es ist unfaßbar“, klagte die Österreicherin in der Welt. Zu den größten Profiteuren gehörten die Wirtschaftskanzlei Freshfields sowie die Unternehmensberatungen Roland Berger, Boston Consulting Group und McKinsey. Die ehemaligen Verantwortlichen sowie der Insolvenzverwalter schweigen sich über diese Vorwürfe aus. Gebracht haben die externen Berater ohnehin nichts. Für Branchen-Experten ist dies übrigens keine große Überraschung. Das Manager Magazin berichtete, daß ein Großteil der Führungskräfte der deutschen Wirtschaft unzufrieden mit den Leistungen der Berater sind.

Gefälschte Analysen, mangelnder Sachverstand, gefälschte Spesenabrechnungen, fiktive Arbeitsstunden und überhöhte Honorare – so schildert der Ex-Berater Neil Glass den Szenealltag in seinem Buch „Die große Abzocke“. Das Fazit des Briten ist ernüchternd: „Häufig holt man sich mit den Beratern ein Rudel hungriger Wölfe ins Haus, das man dafür teuer bezahlt, daß es den Hühnerstall bewacht. Für die Wölfe ist das toll. Für die Hühner weniger.“

In der Branche herrscht das Gesetz des Schweigens

Fehler von Unternehmensberatungen sind nicht neu. Bis heute ungeklärt ist beispielsweise die Verantwortung der Consulter beim Debakel der Schweizer Fluggesellschaft Swiss Air im Jahr 2001. Ein Jahr später kollabierte der US-Konzern Enron. Über Jahre wurden dort Zahlen gefälscht und Bilanzen frisiert. Mit dabei war die renommierte Beratungsgesellschaft Arthur Andersen, die die Pleite nicht überlebte. Der Name der 1913 in Chicago gegründeten Firma war fortan dermaßen ruiniert, daß nur die Verschmelzung mit der Konkurrenz übrigblieb. In Deutschland kamen die Mitarbeiter bei Deloitte unter. Nur selten werden Fehler von Beratungsgesellschaften derart offen kommuniziert. In der Branche herrscht das Gesetz des Schweigens. Fast nie kommen Zahlungen wie im Fall Praktiker an das Licht der Öffentlichkeit. Die Branche agiert lieber im Dunkeln.

Eine Ausnahme war der Fall Märklin. Das Modellbahn-Traditionsunternehmen aus dem schwäbischen Göppingen, das seit 150 Jahren Spielwaren herstellt, mußte 2010 in die Insolvenz. Märklin überlebte, weil Insolvenzverwalter Michael Pluta eine brutale Aufarbeitung anordnete. Heraus kam eine gigantische Mißwirtschaft, bei der vor allem Berater abkassierten. Für deren Leistungen hatte Märklin in den drei Jahren vor der Pleite 37 Millionen Euro gezahlt. Ohne Erfolg. Im Gegenteil, zeitgleich häufte Märklin Verluste vor Steuern von 51 Millionen an. „Da tränen einem die Augen“, schimpfte Pluta. Doch dies blieb nicht ohne Folgen. Alix Partners, die Firma, die den Investor Kingsbridge beim Kauf des Unternehmers beriet, mußte gut 14 Millionen Euro Schadenersatz zahlen.

Verläßliche Statistiken über Sinn und Zweck von Unternehmensberatern gibt es kaum. „Fast ein Drittel aller von uns untersuchten Projekte brachte nicht den gewünschten Erfolg oder wurde vorzeitig abgebrochen“, verriet Dietmar Fink, Beratungsexperte und Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Zeit. Nicht immer sind daran nur die Berater schuld. Oft treffen sie auf marode Firmen und Vorstände, die mit ihrem Latein am Ende sind.

Wie im Fall Praktiker, der auf dem Höhepunkt der Krise gleich ein halbes Dutzend externer Berater gleichzeitig engagierte. Interessant ist übrigens, daß die Rechnungsstellung stets sehr zeitnah erfolgt. Denn nach Insolvenz-Eröffnung sind die Chancen für die Berater sehr gering, an ihr Honorar zu kommen.

Außerdem kann das, was in den letzten drei Monaten vor der Pleite geflossen ist, möglicherweise zurückgefordert werden. Im Fall Praktiker sind die Aussichten darauf recht gering. Man sei noch in der Prüfungsphase, heißt es. Aber die Rechnungen für die Berater seien – im Gegensatz etwa zu den Mieten – regelmäßig bezahlt worden.

Ausverkauf bei Praktiker: www.praktiker-sale.de/store-locator /

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