© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Das Ende des Scheins
Finanzkrise: Der frühere Investmentbanker Detlev Schlichter erklärt, warum Papiergeld-Systeme instabil sind und unausweichlich zum Zusammenbruch führen
Lukas Lang

Am Anfang aller Bücher zu zukünftigen Wirtschaftskrisen und Währungsreformen stellt sich der Leser zwei Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Und warum ändert sich trotz der Warnungen nichts? Hier kann eine Analogie als Antwort dienen: Ein Formel-1-Fahrer muß weder Thermodynamik noch Fahrzeugbau studiert haben, um als schnellster durchs Ziel zu brausen. Er muß gut Auto fahren können.

Vergleichbar verhält es sich in der Wirtschaft. Um gut zu funktionieren und Gewinne zu erwirtschaften, braucht die Finanzbranche nicht ihr System zu hinterfragen. „Andere Aspekte des Papiergeldsystems, und vor allem grundsätzliche Fragen bezüglich der Stabilität von Papiergeldsystemen, bleiben aber unberücksichtigt. Finanzprofis sind in der Regel hochspezialisierte Experten, und sie befassen sich hauptsächlich mit dem, was fürs Geldverdienen unmittelbar Bedeutung hat“, antwortete Detlev Schlichter in einem Interview zu seinem jetzt erstmals auf deutsch erschienenen Buch „Das Ende des Scheins. Warum auch unser Papiergeldsystem zusammenbricht“. Die für wichtig erklärten Zusammenhänge sind relevant, nicht aber die fundamentale Analyse des bestehenden Geldsystems.

„Gold ist die älteste und beständigste Art von Geld“

Schlichter kennt Theorie und Praxis. Nach seinem Ökonomiestudium an der Ruhr-Universität Bochum war er 19 Jahre als Händler und Portfoliomanager tätig – unter anderem für die US-Investmentbanken J.P. Morgan und Merrill Lynch. Für die Recherche zum Buch hat der Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie (Ludwig von Mises, Friedrich von Hayek, JF 15/13) seine Tätigkeit als Portfoliomanager bei Western Asset 2009 aufgegeben.

Eine der fundamentalen Eigenschaften des Finanzsystems, die der in London lebende Deutsche in seinem Buch analysiert, ist die Elastizität des Geldes: Die Geldmenge kann und wird ständig erweitert werden, da Dollar, Euro, Pfund, Yen & Co. von jedem Wert, wie etwa einem Goldstandard, entkoppelt sind. Jede Papierwährung ist in der Vergangenheit entweder wieder zum Warengeld zurückgekehrt, oder nach Krisen und Hyperinflation untergegangen.

Die Einführungen von solchem Scheingeld geschah immer durch die Politik, denn „elastisches, ungedecktes Geld ist weder das Ergebnis von Aktivitäten des Marktes noch einer wachsenden Wirtschaft“. Im Gegenteil, der Wirtschaft schadet ungedecktes Papiergeld. Im besten Fall verändert eine erhöhte Geldmenge nichts, unter der Bedingung, daß die Erhöhung gleichmäßig und transparent verläuft. In diesem Fall würden nur die Preise an die erhöhte Geldmenge angeglichen werden. Tatsächlich ist so etwas aber unmöglich.

In der Realität kann die Geldmenge nur ungleichmäßig und nicht-transparent erhöht werden: „Der Geldschöpfer kann einfach Geld drucken und es dafür verwenden, mit anderen in der Wirtschaft Geschäfte zu tätigen. Er gibt es einfach aus.“ Die Folgen sind verzerrte Preise und Fehlinvestitionen. Denn das neue Geld wird nur punktuell in den Markt eingeführt. Das heißt, daß der Markt nicht reagieren kann und die Preise sich noch an der alten Geldmenge orientieren. Das neue Geld ermöglicht es also, Waren billiger zu kaufen.

So kommt es zu einer Umverteilung von wirtschaftlichen Mitteln zum Vorteil derjenigen, die zuerst in Berührung mit dem neuen Geld kommen. Neben den Banken vor allem der Staat, der das Geld faktisch zum Nulltarif drucken kann.

Schlichter bedauert, daß diese Erkenntnisse der Österreichischen Schule meist ignoriert werden: „Obwohl sie wahrscheinlich eine der schlüssigsten Theorien wirtschaftlicher Konjunkturschwankungen in der heutigen Zeit darstellt, nimmt sie innerhalb des sich entwickelnden makroökonomischen Mainstreams des 20. Jahrhunderts keinen bedeutenden Platz ein.“ Die populären Theorien, Monetarismus (Milton Friedman) und Keynesianismus, müssen das Auf und Ab der Wirtschaft durch willkürliche Faktoren wie einen Mangel an unternehmerischer Risikobereitschaft oder einer übertriebenen Neigung zum Sparen erklären. Die Österreichische Schule hingegen glaubt, daß viele der Aufschwünge nur künstlich durch Geldinjektionen entstehen.

Auf diese muß notwendigerweise eine Rezession folgen. Daher verzichtet sie auf fragwürdige Thesen und verweist auf die Geldmengenvermehrung als Auslöser der Finanzkrisen. Schlichters Lösung besteht in einer Rückkehr zum edelmetallgegedeckten Warengeld: „Gold ist kein Anlagegut, es ist Geld. Es ist die älteste und beständigste Art von Geld, welche die menschliche Zivilisation kennt.“ Schlichter gesteht aber gleichzeitig ein, daß den Politikern und ihren Papiergeld-Ökonomen daran nicht gelegen sei kann: „Das Problem für einen Politiker besteht darin, daß dieses System keine Politik braucht.“

Finanz-Blog von Detlev Schlichter: Detlev Schlichter:  Das Ende des Scheins. Wiley-VCH-Verlag, Weinheim 2013, gebunden, 360 Seiten, 24,95 Euro

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