© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Auf der Suche nach dem Traumland
Wanderschaft nach Orplid: Der Neofolk-Musiker Uwe Nolte hat einen eindrucksvollen Gedichtband vorgelegt
Baal Müller

Eduard Mörike hat in seinem spätromantischen Künstlerroman „Maler Nolten“ das geheimnisvolle Traumland Orplid besungen, und es ist sehr stimmig, daß ein Künstler ähnlichen Namens, Uwe Nolte, ein Spätestromantiker unserer Zeit, seine Band, mit der er die Musikrichtung des Neofolk seit den neunziger Jahren in Deutschland maßgeblich prägte, ebenfalls „Orplid“ genannt hat.

Anfang dieses Jahres hat der umtriebige Musiker, Dichter und Graphiker einen ersten Lyrikband vorgelegt, in dem sich viele seiner von Orplid, Barditus – seinem anderen Bandprojekt – oder Forseti vertonten Gedichte finden: Der Titel „Du warst Orplid, mein Land!“ klingt wie ein Abgesang, und viele Liebhaber seiner Musik fürchteten schon, Nolte, würde sich von seiner künstlerischen Tätigkeit zurückziehen.

Diese Sorge war unbegründet. Allenfalls hat Nolte in dem schön gestalteten Band, der auch einige seiner graphischen Arbeiten zeigt, ein Resümee seiner Jugend- und Wanderjahre gezogen: zarte, gefühlvolle Verse, die in ihrer formalen Meisterschaft an Eichendorff und an seinen väterlichen Freund, den Thüringer Dichter Rolf Schilling, erinnern. Einen Barden, dessen Ton „ergreift und zu Herzen geht“, nennt dieser ihn und stellt ihn in die archaische Tradition des mythenkundigen Dichters und Sängers.

Wenn man nicht ganz so weit zurückgreifen möchte, könnte man, abgesehen von Romantik und Jugendbewegung, an die der Neofolk mit modernen Mitteln anknüpft, auch eine Linie zur Beat Generation der fünfziger Jahre ziehen: Deren Ausdrucksformen waren zwar erheblich moderner, aber die Nähe von Musik und Literatur, das Lebensgefühl einer „verlorenen Generation“, die Suche nach alternativen – dort östlich-spirituellen, hier abendländisch-traditionalen – Weltauffassungen und nicht zuletzt das Bewußtsein, immer on the road zu sein, sprechen für eine solche existentielle Verwandtschaft.

Wie die Beat-Poeten ist auch der „Barde“ Uwe Nolte ein Lebenskünstler und Autodidakt, der seinen geistigen Hintergrund nicht an der Universität, sondern sowohl im Selbststudium als auch „auf der Straße“ erworben hat: in seinen zuweilen grobschlächtigen Jobs und auch mit groben Fäusten, die der athletische Mann manches Mal zu benutzen wußte. Der kleine Kraftmensch im gestreiften Matrosenpulli, der eben noch von Abenteuern in Rußland berichtete und im nächsten Moment von einem Gedicht zu Tränen gerührt wird, paßt in keine Schublade. Wie seine romantischen Vorbilder ist er stets, geistig oder physisch, auf Reisen – bald auf ekstatischer Fahrt: „Flöte und Tabla und Zymbel bereiten / Rauschendes Fest um uns her –/ Frei und vermählt mit dem Herz der Gezeiten, / Stehen an schwankender Reling und gleiten / Wir übers tanzende Meer.“ Manchmal aber auch als „Müder Wanderer“, wie eines seiner bekanntesten Gedichte heißt, das mit den Versen endet: „Leise schließe meinen Kreis, / Sternenlos und mütterlich, / Nacht, die nichts vom Morgen weiß, / Komm, umarme mich.“

Bei aller Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit und allem Leiden an der ungeistigen Engstirnigkeit des heutigen Deutschland zeigt Uwe Nolte ansonsten glücklicherweise keine Anzeichen von Müdigkeit.

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