© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Ein recht bequemes Arbeitsfeld
In der Alpenrepublik operierte die DDR-Staatssicherheit unbehelligt von der österreichischen Abwehr
Wolfgang Kaufmann

Die Beziehungen zwischen dem neutralen Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik waren bekanntlich recht gut. Das hinderte die Staatssicherheit aber nicht daran, auch in der Alpenrepublik zu operieren.

Hierüber informiert eine neue Studie aus der Feder von Angela Schmole (Stasi-Unterlagenbehörde) und Jochen Staadt (Forschungsverbund SED-Staat), welche in der Wiener Fachzeitschrift Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies (1/2013) erschien und ganz wesentlich auf zerrissenen und wieder zusammengesetzten Akten beruht. Laut Schmole und Staadt begann der „Geheime Hauptinformator“ Lothar Schramm (Deckname „Franz“) im Sommer 1965 damit, für die MfS-Hauptabteilung VIII (Beobachtung und Ermittlung) ein Agentennetz in Österreich aufzubauen, wobei er sich zunächst an die Mitglieder der dortigen Kommunistischen Partei hielt. So war seine allerwichtigste frühe Kontaktperson der Wiener KPÖ-Bezirksleiter Alexander Bielewicz, welcher sich schon Ende der fünfziger Jahre zu einer Zusammenarbeit mit der Stasi verpflichtet hatte.

Schramm warb bis 1980 sieben österreichische Inoffizielle Mitarbeiter an (die „Gruppe Franz“), wobei Wilhelmine Tomanek alias „Irene März“ definitiv sein bestes Pferd im Stall wurde. Die Sekretärin machte ab 1971 eine steile Karriere in den Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerken (VÖEST) und hatte Kenntnis von diversen vertraulichen Vorgängen, für die sich bald auch Markus Wolfs Hauptverwaltung Aufklärung zu interessieren begann, weil das Wissen um die geschäftlichen Interna der VÖEST (später dann VÖEST-Alpine) der DDR-Volkswirtschaft spürbare Wettbewerbsvorteile eintrug. Zudem beschaffte Tomanek wichtige technische Unterlagen aus dem Bereich Reaktorbau, welche wiederum in der MfS-Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft) Begeisterung auslösten. Deshalb schrieb der Leiter der Abteilung 13 in der HA VIII, ein gewisser Major „Schmidt“, dann auch später, die Tätigkeit von „Irene März“ habe „zu Erkenntnissen von strategischem Wert geführt“.

Eine weitere Aufgabe der „Gruppe Franz“ bestand darin, „Objektaufklärung“ zu betreiben: So entstanden zahlreiche Lageskizzen und Fotodokumentationen zum Gebäude von „Radio Free Europe“, dem Wiener Rathaus, dem Burgtheater und Schloß Schönbrunn.

Die KPÖ als verläßlicher Kooperationspartner

Zu Beginn der siebziger Jahre richtete das MfS seine Aufmerksamkeit zudem verstärkt auf „Kriminelle Menschenhändler“, sprich Fluchthelfer, die von Österreich aus operierten, wie die beiden Wiener Fuhrunternehmer Johann und Josef S. Franz’ Helfershelfer observierten „Zielpersonen“ wie diese, um Informationen zu sammeln, mit deren Hilfe die DDR-Propaganda die Fluchthelfer als dubiose Untergrund-existenzen verleumden konnte.

Ebenso war die Stasi bemüht, mit Hilfe der einheimischen IMs die KPÖ ideologisch zu indoktrinieren, was vor allem nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ angezeigt erschien, da die österreichischen Genossen die „guten Absichten“ hinter der „sozialistischen Hilfe“ für die ČSSR augenscheinlich nicht erkennen konnten. Und nach der Streikwelle in Polen im Sommer 1980 stand die „Gruppe Franz“ dann außerdem noch bereit, oppositionelle Polen, die sich nach Österreich geflüchtet hatten, zu bespitzeln.

Der Einkaufsladen für Schalck-Golodkowski

Großes Interesse an der Alpenrepublik zeigte des weiteren die Stasi-Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung des legendären Alexander Schalck-Golodkowski, denn durch die Zusammenarbeit mit österreichischen Firmen konnten viele der Waren beschafft werden, die aufgrund des westlichen Embargos eigentlich nicht an die DDR geliefert werden durften.

Überhaupt war die österreichische Wirtschaft das Hauptangriffsziel der DDR-Spionage, was auch am Stasi-Engagement im Internationalen Handelszentrum in Ost-Berlin sichtbar wird: hier saßen gleich mehrere IMs, wie „Fritz“ bei der VÖEST-Alpine, „Claudia“ bei der Novum Handelsgesellschaft und „Jana“ bei der österreichischen Niederlassung der Dow Chemical Company.

Insgesamt läßt sich feststellen, daß Österreich ein recht bequemes Arbeitsfeld für die Stasi war, weshalb die HVA in Kooperation mit der MfS-Funkaufklärung (HA III) in Wien sogar einen Abhörstützpunkt einrichtete, in dem ab Dezember 1972 die Kommunikation zwischen dem deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz, dem BND und den österreichischen Sicherheitsbehörden ausspioniert wurde. So etwas gab es sonst nur in Brüssel. Enttarnt wurde bis 1989 keiner von Mielkes Agenten in der Alpenrepublik, was nicht gerade für die Professionalität der österreichischen Spionageabwehr spricht.

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