© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

In Europa grassiert die Gleichmacherei
Luxus und Leonard Cohen
Barbara Bonte

Alle fünf bis zehn Jahre wird in Belgien darüber diskutiert, die 1. Klasse bei der Bahn abzuschaffen. Jüngst plädierte ein Wissenschaftler einer flämischen Universität in einem Zeitungsartikel für das Ausrangieren der entsprechenden Wagen. „Wer es sich leisten kann, bekommt einen Luxussitz, weil der Plebs mit einem Bänkchen zufrieden sein muß.“ Richtige Argumente hört man nicht, der Autor spricht von seinem „Bauchgefühl“ (und das als Wissenschaftler).

Ich selbst reise nach Brüssel, wo ich arbeite, normalerweise 2. Klasse. Es ist eine relativ kurze Fahrt, für gewöhnlich finde ich auch einen Sitzplatz. Das ist in Ordnung, so wie es in Ordnung ist, daß jemand anders erstklassig fährt; alles kein Grund, eifersüchtig zu werden. Man muß im Leben ständig wählen. Im Zug entscheide ich mich nicht für die feineren Sitze, aber bei einem Konzert von Leonard Cohen möchte ich vielleicht den besten Platz haben. Alles hängt davon ab, wo man seine persönlichen Vorlieben hat, seine Prioritäten setzt. Nach der Logik des Wissenschaftlers werde ich bald die besten Sitze im Konzertsaal nicht mehr wählen und im Flugzeug nicht mehr Business Class fliegen können. Treibt man diesen Gedanken noch weiter, wird auch nur noch eine Kleidungsmarke, eine Sorte Handy und ein Automodell hergestellt. Wo in der Geschichte habe ich das schon mal gesehen?

Überall in Europa manifestiert sich mehr und mehr die Eifersucht, getarnt unter dem moralisierenden Deckmantel der Egalisierung. „Alles für alle, und alle sind gleich“ ist das neue Mantra geworden. Sozialistische Politiker halten zwar fast jeden Unternehmer für einen Betrüger, wollen aber andererseits selbst in großen Häusern wohnen, große Autos fahren und am liebsten Personal haben. Dafür muß dann ein Arbeitnehmer in Belgien fast 60 Prozent seines Grundgehalts an den Staat abgeben – und dann gibt es noch Politiker, die neue Steuern fordern.

Deswegen, so vermute ich, werden in Zukunft immer mehr Firmen und immer mehr talentierte Leute Europa den Rücken kehren und auswandern. Dabei braucht unsere Gesellschaft auf ihrem Arbeitsmarkt dringend diese begabten Leute, gerade angesichts der demographischen Zeitbombe. Wie vielen anderen Leuten auch hängt mir deswegen diese linke Neidkultur zum Hals raus.

 

Barbara Bonte ist flämische Politikerin und ehemalige Vorsitzende der Vlaams-Belang-Jugend in Antwerpen.

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