© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Sie hinterlassen eine Spur von Tod und Verwüstung
Krisengebiet Somalia/Kenia: Nach ihrem Terrorschlag in Nairobi kündigt die radikal-islamische al-Shabaab-Miliz weitere Angriffe an
Marc Zöllner

Es war der wohl folgenschwerste Anschlag in Ostafrika seit Jahren. Vier Tage lang verschanzten sich ein Dutzend Terroristen im Westgate-Einkaufszentrum in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Schwer bewaffnet lieferten sie sich Gefechte mit Polizei und Militär und ermordeten insgesamt 61 Zivilisten. Die Opfer wurden dabei systematisch aussortiert: Wer moslemischen Glaubens war oder Arabisch lesen konnte, wurde freigelassen – alle anderen erschossen oder erstochen.

Mit dem Angriff auf die vor allem bei Touristen und Diplomaten beliebte Einkaufsmeile wurde vielen Kenianern bewußt, daß der Krieg gegen den Terror, welchen man am Horn von Afrika zu führen wähnte, längst internationale Dimensionen besitzt. Denn so wie die Opfer, besaßen auch die Täter Papiere verschiedenster Nationen: Es waren Finnen, Briten, US-Amerikaner und Kanadier unter ihnen. Was sie einte, war das Banner der radikalislamischen al-Shabaab-Miliz.

Seit 2006 ist diese Gruppierung bereits im Bürgerkrieg in Somalia involviert. „Die Jugend“, wie al-Shabaabs arabischer Name lautet, spaltete sich damals von der „Union Islamischer Gerichte“ ab, einer den Taliban ähnlichen Organisation, die seit der Jahrtausendwende den Großteil des ostafrikanischen Landes kontrollierte und im selben Jahr erst durch den Einmarsch äthiopischer Truppen aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu vertrieben werden konnte.

Nur drei Jahre später gelang es al-Shabaab wiederum, die äthiopische Armee zum Rückzug zu zwingen, was ihr in Somalia durchaus Sympathiepunkte einbrachte. Unterstützung fand sie aber auch im außenpolitisch isolierten Eritrea, das der Miliz fortan Waffen und Kapital lieferte, sowie in der Terrororganisation al-Qaida. Ende 2009 schien sich das Blatt jedoch zu wenden, als Truppen der Afrikanischen Union unter Führung der Nachbarländer Kenia, Uganda und Burundi in Mogadischu sowie in die strategisch wichtige Hafenstadt Kismaayo einmarschierten. Zwar kontrollieren die rund 9.000 Milizionäre al-Shabaabs noch immer rund 40 Prozent des somalischen Kernlandes. Eine ernstzunehmende Gefahr erkannte in ihnen jedoch kaum noch jemand.

Doch mit dem Blutbad in Nairobi bewies al-Shabaab, an Schlagkraft nichts verloren zu haben. Dabei ist Kenia nicht das erste Opfer: Bereits 2010 ließen Anhänger der somalischen Miliz in der ugandischen Hauptstadt Kampala mehrere Bomben während der Feierlichkeiten zur Fußballweltmeisterschaft detonieren. Über 74 Menschen kamen dabei ums Leben. Auch in Europa fiel al-Shabaab bereits mehrfach durch terroristische Aktivitäten auf, beispielsweise mit der versuchten Ermordung des islamkritischen Karikaturisten Kurt Westergaard im Januar 2010.

Die Spur der Verwüstung, die al-Shabaabs aus dem Ausland angeworbene Mudschaheddin in Kenias Hauptstadt hinterlassen haben, werden noch Monate sichtbar sein. Noch immer gelten über 70 Menschen als vermißt. Auch mehrere Täter seien noch immer auf der Flucht, heißt es aus Sicherheitskreisen. Doch schon kündigt die Miliz weitere Terrorakte an. „Sollte Kenia seine Truppen aus Somalia nicht zurückziehen“, erklärte ein hochrangiger Shabaab-Sprecher kurz nach dem Westgate-Anschlag, „werden jeden Tag weitere Angriffe wie dieser auf Kenias Städte und Siedlungen folgen.“

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