© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Lockerungsübungen
Deutscher Konsumrausch
Karl Heinzen

Monat für Monat kann die Gesellschaft für Konsumforschung derzeit atemberaubende Zahlen melden. Die Deutschen, die so lange als verbiesterte Sparer verschrien waren, finden plötzlich Freude daran, Geld auszugeben. Bei einem Sechsjahreshoch der Kauflaune sollte zwar nicht von einem historischen Ereignis gesprochen werden. Wenn man aber bedenkt, daß die Menschheit nach 2007 von der größten Finanzkrise seit den 1930er Jahren heimgesucht wurde, ist die gestiegene Konsumneigung dennoch erfreulich. Der Überwindung der großen Depression von einst ging schließlich ein Weltkrieg voran, der den Verbrauchern von heute erspart zu bleiben scheint.

Irritieren können allenfalls die Motive, die die Menschen dazu treiben, sich in ungewöhnliche Ausgaben zu stürzen. Kleinsparern, die die Risiken des Aktienmarktes scheuen, bieten sich derzeit keine sinnvollen Möglichkeiten, ihr Geld anzulegen. Die Zinsen, die ihnen die Banken oder Schuldtitel der öffentlichen Hand bieten, liegen unter der Inflationsrate.

Diese erscheint zudem vielen als manipuliert, da sie im Alltag weit höhere Preissteigerungsraten erleben. Wer spart, wird daher ärmer, und auch die Gefahr, daß der Euro doch noch kollabiert und das Geldvermögen schlagartig an Wert verliert, ist längst nicht ausgeräumt. Rational handelt daher nur, wer soviel ausgibt, wie ihm möglich ist, sei es in der Hoffnung, in stabile Sachanlagen zu investieren, oder auch nur, um sich Konsumträume zu erfüllen, bevor es zu spät ist.

Manche Menschen sind jedoch so wohlhabend, daß ihnen diese Möglichkeit verwehrt ist. Sie stehen vor Problemen, die auch die Neidgesellschaft verstummen lassen. Investmentberatern und Vermögensverwaltungen dürfen sie nach den Skandalen der vergangenen Jahre nicht mehr bedingungslos vertrauen. Wo immer sie Zuflucht finden könnten, in Aktien oder Immobilien, drohen Blasen, die dramatische Einbußen befürchten lassen. In ihrer Verzweiflung investieren immer mehr Vermögende in Staaten, deren Zinsniveau höher ist als hierzulande.

Damit liefern sie sich aber unberechenbaren Regierungen aus, die bei einem Kollaps der öffentlichen Finanzen keinen Rechtsbruch scheuen werden. Profitieren kann heute nur, wer reichlich Schulden aufnimmt. Diese neue Runde der Umverteilung wird alle bisherigen in den Schatten stellen.

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