© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Frisch gepresst

Erziehung. Wie viele seiner Genossen agitiert der gelernte Pauker und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel für die Abschaffung von Hausaufgaben. Vielleicht nur, weil er John Hatties „Visible Learning“ (2009) aufgrund von Sprachdefiziten oberflächlich las. Gabriel ist freilich nicht der einzige, der das epochale Werk des Australiers, den die angelsächsische Welt als Messias der Bildungsforschung hofiert, selektiv liest und ihm entnimmt, was sich als Waffe im schulpolitischen Tageskampf eignet. Um hier einen Riegel vorzuschieben, haben die Pädagogen Wolfgang Beywl und Klaus Zierer eine deutsche Ausgabe veranstaltet. Denn die Muttersprache sei „in mehrfacher Hinsicht die sicherere Sprache“ und ermögliche somit erst eine sachliche deutsche Debatte um Hatties Thesen. Aus über 50.000 Studien mit 250 Millionen Lernenden hat der Melbourner Forscher die Bedingungen erfolgreichen Schulunterrichts herausgefiltert. Simple Rezepte sind nicht darunter, auch keine Empfehlungen für die Rückkehr des „autoritären“ Lehrertyps, auf die das Feuilleton die aus empirischen Materialschlachten erwachsenen Resultate 15jähriger Arbeit gern reduziert. Aber der chaotische Reformismus bundesdeutscher Schulpolitik kann aus Hatties „evidenzbasierten“ Synthesen kein Quentchen Honig saugen, während dessen Kritiker bei ihm ein gutgefülltes Arsenal an Argumenten finden, um nicht nur die jüngsten Kapriolen à la Gabriel ad absurdum zu führen. (wm)

John Hattie: Lernen sichtbar machen. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2013, broschiert, 439 Seiten, 28 Euro

 

DDR-Häftling. Der Stasi-Knast in Berlin-Hohenschönhausen zieht seit Jahren zunehmende Besucherströme an, die sich ein eigenes Bild des DDR-Unrechtssystems machen wollen. Daß dieses Gefängnis nur einer von vielen Orten war, wo sich das Regime seiner politisch Andersdenkenden oder „Republikflüchtlinge“ entledigte, offenbart Wolfgang Zimmermann in seiner kurzen, aber mitreißenden Schilderung aus dem Gefängnis Berlin- Rummelsburg. In dessen düsteren Klinkergebäuden, in denen heute schicke Wohnungen und Lofts eingerichtet sind, saß Zimmermann wegen Fluchthilfe von 1970 an ein. Dort erlitt er Zwangsarbeit, Prügel und Demütigung, bevor ihn zwei Jahre später die Bundesrepublik endlich freikaufen konnte. (bä)

Wolfgang Zimmermann: Die letzte Dunkelheit. Persimplex Verlag, Wismar 2013, gebunden, 69 Seiten, 12,10 Euro

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