© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Es weiß, was du willst
Big Data und der mögliche Blick auf unsere Wünsche
Lukas Lang

Fall 1: Sie besuchen die Netzseiten eines Anbieters für Fallschirmsprünge und mehrerer Hotels in Ägypten. Unmittelbar danach wird Ihre Versicherung teurer. Fall 2: Sie kaufen parfümfreie Lotion und etwas später Nahrungsergänzungsmittel und Wattebällchen. Unmittelbar danach liegen Werbung und Gutscheine für Schwangerschaftsprodukte im Briefkasten.

In beiden Fällen machen Firmen von „Big Data“ Gebrauch. Seit es möglich ist, Daten kostengünstig zu erheben, auszuwerten und zu speichern, sind Stichproben überflüssig geworden. Man ist im Besitz aller Informationen und kann die riesigen Datenmengen in kurzer Zeit verarbeiten. Die Experten Viktor Mayer-Schönberger und Kenneth Cukier sehen in „Big Data“ den Beginn einer neuen Zeit: „Schon seit den 1960er Jahren wird von der ‘Informationsrevolution’ und dem ‘digitalen Zeitalter’ gesprochen, aber beides beginnt gerade erst Realität zu werden.“

Die Fülle an Anwendungsbereichen, in denen schon jetzt mit „Big Data“ gearbeitet wird, verdeutlicht das. Bei der Rechnungsprüfung hilft die Suche nach Unregelmäßigkeiten bei der Betrugserkennung. Die Rechtschreib- und Übersetzungshilfen konnten durch das Aufzeichnen des Nutzerverhaltens und der Erfassung riesiger Textdatenbanken verbessert werden. Und mit Hilfe von Google-Suchanfragen konnte die Verbreitung der Vogelgrippe schneller und besser vorhergesagt werden als von den staatlichen Stellen.

Die Ergebnisse sind auch jedem Internetnutzer bekannt. Man sucht bei Google nach „Urlaub Spanien“, und auf der nächsten Seite erscheint die passende Werbung für Flüge nach Barcelona. Man kauft bei Amazon Goethes „Faust“, und im Posteingang wird „Wilhelm Tell“ empfohlen. Grundlage dieser Vorschläge ist das Kaufverhalten anderer Benutzer. Wenn achtzig Prozent aller „Faust“-Käufer auch „Wilhelm Tell“ kaufen, dann probiert man es auch beim Rest. Mit Erfolg, denn „heute wird ein Drittel des Umsatzes bei Amazon auf das personalisierte Empfehlungssystem zurückgeführt“. Das „Warum“ wird dabei zunehmend irrelevant und es zählt nur noch das „Was“. Da durch „Big Data“ auch Tore zum Mißbrauch und unerwünschter Kontrolle geöffnet werden, wird die Priorisierung dieser Fragen zukünftig wohl anders gestalten.

Viktor Mayer-Schönberger, Kenneth Cukier: Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird. Redline Verlag, München 2013, gebunden, 304 Seiten, 24,99 Euro

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