© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Optimistisch in die Zukunft
Norwegen: Erstmals ist die rechtsliberale Fortschrittspartei in Regierungsverantwortung / Schnelle Einigung auf Koalitionsprogramm
Jens Boye Volquartz

Gut gelaunt traten die designierte Ministerpräsidentin Erna Solberg und die Vorsitzende der Fortschrittspartei (FrP), Siv Jensen, am Montag abend vor die Kameras und verkündeten die 75 Seiten umfassende Koalitionserklärung ihrer Minderheitsregierung.

Nach dem Ausscheiden der Christlichen Volkspartei und der liberalen Venstre aus den Regierungsverhandlungen hatten sich Solbergs konservative Høyre und Siv Jensens rechtsliberaler FrP entschieden, allein zu regieren. Zusammen verfügen die Koalitionsparteien mit zusammen rund 44 Prozent der Stimmen über 77 der 169 Sitze im Parlament. Ein Kooperationsabkommen mit den beiden kleineren Parteien, die zusammen auf 19 Sitze kommen, soll der kommenden Regierung Stabilität verleihen. Die Verhandlungen für eine Vier-Parteien-Koalition waren unter anderem an den gegensätzlichen Positionen der Christlichen und der Fortschrittspartei in Bereichen von Steuerfragen und und der Beibehaltung der restriktiven Alkoholpolitik gescheitert. Da die beiden kleineren Parteien vereinbart hatten, nur gemeinsam an einer solchen Koalition teilzunehmen, zogen sich beide aus der weiteren Regierungsbildung zurück.

Die Sicherung des Wohlfahrtsstaates, Steuersenkungen für Lohnempfänger, die Abschaffung der Erbschaftssteuer, die Stärkung von Familien stehen im Mittelpunkt des Programms. Ebenso das Ziel, keine Ölbohrungen im Bereich der Arktis zuzulassen und von Erdgas- und Ölerkundungen um die Lofoten und Vesterålen abzusehen. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Kampagne, Boxen und andere Kampfsportarten in Norwegen wieder möglich zu machen. Das 1981 eingeführte „knock-out-Gesetz“ soll außer Kraft gesetzt und norwegischen Boxern ermöglicht werden, ihren Sport auch im Heimatland auszuüben.

Auf Betreiben der FrP wurden gerade im Bereich der Einwanderungs- und Integrationspolitik Maßnahmen beschlossen. So wird die Schaffung „geschlossener Asylzentren“ angestrebt. Auch soll schneller über Anträge entschieden werden können, um Eingliederungen oder Rückführungen zu beschleunigen. Voraussetzungen für die norwegische Staatsbürgerschaft sind ein Minimum an Sprachkenntnissen des Norwegischen und das Bestehen einer Prüfung im Bereich Sozialkunde. Bei der Zusammenführung von Familien soll vermehrt auf DNS-Tests gesetzt werden. Bisher wurden Ausländer ausgewiesen, die zu einer Freiheitsstrafe von zehn oder mehr Jahren verurteilt wurden; diese Regelung wurde auf fünf Jahre herabgesetzt.

Vor dem Hintergrund der schnellen Einigung – die Verhandlungen sollten sich noch über zwei Wichen hinziehen – zeigen sich Jensen und Solberg optimistisch für die Zukunft. Vor allem Solberg, so die Meinung einzelner Kommentatoren, setzt hierbei auch auf die mögliche Unterstützung von seiten der Arbeiterpartei (Ap) des abgewählten Ministerpräsidenten Stoltenberg, da beide Parteien bereits im Wahlkampf viele Gemeinsamkeiten offenbarten.

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