© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Es war ein Mordkomplott
Der Enthüllungsjournalist Mathias Bröckers hat sich dem bis heute nicht aufgeklärten Attentat an US-Präsident John F. Kennedy im November 1963 gewidmet
Ronald Gläser

Lee Harvey Oswald war nicht der Kennedy-Attentäter, sondern ein Bauernopfer in einer Geheimdienstverschwörung gegen den US-Präsidenten. Das ist die Kernthese in Mathias Bröckers’ neuem Buch über den Jahrhundertmord in Dallas.

Wäre Lee Harvey Oswald als wahnsinniger Einzeltäter für das Attentat auf Kennedy verantwortlich gewesen, so wäre der Fall wohl längst zu den Akten gelegt. Da es aber mehrere Täter waren, ist die Sache bis heute nicht restlos aufgeklärt. Der deutsche Enthüllungsjournalist hat sich nach beinahe fünf Jahrzehnten des Kennedy-Mordes angenommen. Seine These: Die Schüsse von Dallas waren ein von Geheimdiensten geplanter Regimewechsel, der durch ein Killerkommando bewerkstelligt werden sollte. Oswald war nur ein „Patsy“, ein Sündenbock.

Bröckers schildert die CIA als Staat im Staate, als Geheimarmee, in der jeder „Gestapo-Mann oder SS-General, Heroinhändler oder Mafiakiller“ unter dem Deckmantel des Anti-Kommunismus habe mitmachen können. Kennedy mußte aus Sicht dieser Geheimarmee beseitigt werden, weil er als einziger US-Präsident der vergangenen einhundert Jahre versucht habe, die US-Außenpolitik weniger imperialistisch zu gestalten. Bröckers verklärt Kennedy als Utopisten und Friedensstifter, der dabei war, den Kalten Krieg zu beenden.

Er stellt in diesem Zusammenhang die Rolle von Kennedys Freundin Mary Meyer heraus. Diese Friedensbewegte habe den mächtigsten Mann der Welt – womöglich unter Einsatz von LSD und Sex – zum Umdenken in der Frage der Blockkonfrontation gebracht. Meyer wurde ein Jahr nach dem Kennedy-Attentat erschossen aufgefunden, der Täter wurde nie ermittelt. Es gibt Indizien dafür, daß die CIA dahintersteckte.

Das Motiv? Kennedy habe nach der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht die Militärs in die Schranken gewiesen, die militanten Exilkubaner zurechtgestutzt und auch noch den Vietnamkrieg fast verhindert, so Bröckers. Er galt den kriegslüsternen Militärs und Geheimdienstleuten sowieso schon als fleischgewordenes Ärgernis, da hielt er auch noch eine Friedensrede im Juni 1963. Daraufhin hätten seine Gegner seine Exekution beschlossen.

Zunächst sollte Kennedy in Chicago nach dem gleichen Muster erschossen werden wie wenige Tage später dann tatsächlich in Dallas. Auch der Chicago-Plan habe einen Sündenbock wie Lee Harvey Oswald, der in Wirklichkeit jahrelang CIA-Mann gewesen sei, beinhaltet: einen Ex-Soldaten mit psychischen Schwierigkeiten, Kontakten zu Exilkubanern und einem Arbeitsplatz entlang der Fahrtstrecke des Präsidenten. Zufälle vereitelten jedoch das erste Vorhaben. Und einen Anschlag in Miami.

Schließlich fand das Attentat in Dallas statt, das von anderen als Oswald ausgeführt worden sei. Dieser sei eindeutig unschuldig, weil er zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sein kann. Zum Dank hätten seine Auftraggeber ihn geopfert und als „ungebildete und verwirrte Person“ dargestellt.

Das Buch ist voll von weiteren toten Zeugen, Selbstmorden, bis heute geheimgehaltenen Akten (zum Beispiel Lee Harvey Oswalds Steuerakte), vertuschten Beweisen, Biowaffen, CIA- und Mossad-Agenten. Es liest sich wie ein Krimi. Die nachträgliche Interpretation der Person Kennedy erscheint fragwürdig – so wie Bröckers Slang zuweilen an K-Gruppen-Sprache der achtziger Jahre erinnert („die als Verlängerung von Wall Street und Big Business fungierenden verdeckten Aktionen der CIA“).

So war die kommunistische Bedrohung in dieser Zeit real. Frieden mit den Sowjets konnte es nicht geben, das liegt an der Natur des Kommunismus. Wenn Kennedy wirklich der Träumer war, als den Bröckers ihn schildert, dann muß er LSD konsumiert haben. Davon abgesehen ist das Buch jedoch sehr detailreich, lebendig und überzeugend geschrieben. Die Argumentation ist schlüssig.

Bröckers beruft sich bei seiner Kritik an der Aufarbeitung des Attentats auf die zwar umfangreichen, aber dennoch armseligen Ergebnisse der Warren-Kommission und die Arbeit jenes Provinzstaatsanwalts, dem ein Vierteljahrhundert später von Oliver Stone in „JFK“ ein filmisches Denkmal gesetzt worden ist.

Bröckers ist einer der bekanntesten deutschen Verschwörungstheoretiker, hat auch zum 11. September spektakuläre Dinge veröffentlicht. Er geht daher bereits in seinem Vorwort auf den Begriff ein und belegt, daß das Wort Verschwörungstheorie aus der psychologischen Kriegsführung der Amerikaner stammt. Es sei von Geheimdiensten erfolgreich zu einer „Unbehagen und Angst auslösenden Vokabel“ umgedeutet worden. Bröckers weiter: „Diese Art der Diskurskontrolle bewegt sich auf dem Niveau des (un-)christlichen Mittelalters, das jeden Zweifel an ex cathedra verkündeten Dogmen mit Exkommunikation oder gar dem Tode bestrafte.“ Um seine Leser nun vor der anläßlich des 50. Jahrestages anstehenden „pseudojournalistischen Bombardierung“ durch Vertreter der offiziellen Mordtheorie zu immunisieren, hat Bröckers dieses Buch geschrieben.

Mathias Bröckers: JFK – Staatsstreich in Amerika. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2013, gebunden, 288 Seiten, 19,99 Euro

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