© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Die Priesterherrschaft lauert
Der Historiker Egon Flaig mahnt in seinen Essays, das säkulare, aufgeklärte Europa gegen die Gefahren von Islamisierung und Eurokratentum zu verteidigen
Konrad Adam

Wer zu den Quellen will, muß gegen den Strom schwimmen, weiß das Sprichwort. Gegen den Strom zu schwimmen ist anstrengend und bringt nichts ein, weil die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen der Menschen denen gilt, die sich anpassen, die mit dem Zeitgeist segeln und mit den Wölfen heulen.

Der Historiker Egon Flaig hat sich einen Namen gemacht als einer, der auf den Zeitgeist nicht viel gibt, und wird seinem Ruf auch diesmal wieder gerecht. Schon der Untertitel seines neuen Buches verrät, welches Europa er gegen wen verteidigen will: das säkulare, aufgeklärte Europa gegen die Gefahr einer „Priesterherrschaft“, die er natürlich nicht von den müde und matt gewordenen christlichen Kirchen erwartet, sondern vom fanatisierten, militanten Islam.

Säkular meint: ohne Bezug auf Gott. Und so könnte wohl auch Flaig auf die Frage, wo in seinem System denn Gott seinen Platz habe, die bekannte Antwort geben, mit der Laplace auf die entsprechende Frage Napoleons reagiert haben soll: Diese Hypothese habe er nicht mehr nötig. Flaig möchte dem Glauben nehmen, was er dem Wissen und der Wissenschaft zugute kommen läßt. Europa ist für ihn der historische Ort, an dem die Vorstellungen von individueller Freiheit und allgemeinen Menschenrechten zum ersten Mal nicht nur gedacht, sondern auch praktiziert worden sind. Er weiß um die Opfer, die dieser Prozeß gekostet hat, und wirbt für einen Eurozentrismus, der im Bewußtsein seiner intellektuellen Überlegenheit dem Islamismus Widerstand leistet.

Die vielen Zitate, auf die Flaig sich stützt, lassen aufhorchen. So etwa der Aufruf des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan, der aus seinen nicht eben friedlich zu nennenden Absichten keinen Hehl machte, als er erklärte: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“ Solche Aussprüche lassen den Ausgang des Schweizer Volksentscheids, mit dem der Bau von Minaretten, nicht Moscheen, kurzerhand verboten wurde, in einem anderen Licht erscheinen als dem, das hierzulande von einigen zeitgeisthörigen Medien verbreitet wird.

Als Remedur gegen die illusionäre deutsche Einwanderungspolitik mit ihren endlosen Integrationsritualen empfiehlt Flaig die Besinnung auf die europäische Geschichte. Lange genug stand sie im Zeichen der Angst vor der sprichwörtlichen Türkengefahr; Namen wie Lepanto, Kahlenberg oder Zenta erinnern an diese Zeit, aber wer kennt die noch? Auffällig, daß Flaig bei seinen handfesten Warnungen vor einem Islamismus, der die Scharia auch in Europa heimisch machen will, auf jene Macht verzichten zu können glaubt, die den Kampf gegen die Türken jahrhundertelang getragen und befeuert hat, die Kirche. Es war doch kein Zufall, daß immer dann, wenn wir heute von „Europa“ sprechen, damals von der „Christenheit“ die Rede war. Beide Begriffe waren deckungsgleich – und das aus guten Gründen.

Tatsächlich ist noch nie eine staatliche Ordnung, wenn sie nach einer Letztbegründung für ihren Herrschaftsanspruch suchte, ohne den Rückgriff auf eine wie auch immer geartete religiöse Fundierung ausgekommen. Auch die Antike macht da keine Ausnahme, die Stadt Athen schon gar nicht; eine Trennung von profaner und religiöser Sphäre gab es dort ebenso wenig wie in Rom. Wo er die Grundsätze von Recht und Ordnung verkündet, beruft sich ein Staatsmann wie der Athener Solon ganz selbstverständlich auf die Götter, und hellenistische und römische Herrscher legten den allergrößten Wert auf göttliche Verehrung. Warum wohl? Weder Rousseau noch Jefferson konnten oder wollten auf jene oberste Autorität verzichten, die letztlich nur der Glaube verbürgt. Sie wußten, daß jeder Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann.

Den locker komponierten Essays, die in diesem Buch versammelt sind, ist ein schöner Text vorangestellt, der für die Auflösung der Europäischen Union plädiert. Genauer müßte es wohl heißen: für eine Auflösung der Union in ihrer jetzigen, mißratenen Gestalt. Ein in der Geschichte bewanderter Autor wie Flaig weiß viel zu genau, was die Welt den Europäern verdankt, um sich als Antieuropäer aufzuführen. Er bekennt sich umstandslos und mit viel besseren Gründen als die langweiligen Berufseuropäer, die in Brüssel den Ton angeben, zu einer demokratisch legitimierten, föderativ verfaßten europäischen Republik. Nur liegt dies Ideal bei denen, die zur Zeit das Sagen haben, in denkbar schlechten Händen.

 

Dr. Konrad Adam war Feuilletonredakteur der FAZ und Chefkorrespondent der Welt. Heute ist er einer der Sprecher der Partei Alternative für Deutschland.

Egon Flaig: Gegen den Strom. Für eine säkulare Republik Europa. Essays. Dietrich zu Klampen Verlag, Springe 2013, gebunden, 256 Seiten, 22 Euro

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