© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Eine Partei organisiert sich
Alternative für Deutschland: Die AfD will sich professionelle Strukturen geben
Marcus Schmidt

Bernd Lucke ist unbestritten das Gesicht der Alternative für Deutschland (AfD). Dennoch macht sich in der Euro-kritischen Partei das Gefühl breit, daß die AfD zwar einen „Körper“ aus 16 Landes- und einer wachsenden Anzahl von Kreisverbänden hat, aber keinen „Kopf“ im Sinne effektiver Führungsstrukturen. Die Spitze um die Sprecher Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam kann bislang nicht auf eine schlagkräftige Parteiorganisation zurückgreifen.

Doch das soll sich nun ändern. Mit Hochdruck arbeitet die Führung derzeit daran, die Partei weiter zu professionalisieren. Denn die Zeit drängt: Bereits im Mai steht die Wahl zum Europäischen Parlament an. Schon für Januar soll eine Bundeswahlversammlung einberufen werden, um die Kandidaten für Brüssel aufzustellen. Mit dem angestrebten Einzug in das Europaparlament will sich die Partei endgültig etablieren und die Basis für die 2014 ebenfalls anstehenden Landtagswahlen bereiten. Und für eine effektive Wahlkampagne, das hat die Auswertung des über weite Strecken improvisierten Bundestagswahlkampfes gezeigt, braucht es belastbare Strukturen.

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht dabei die Bundesgeschäftsstelle der AfD in Berlin. Die Büroräume in der Schillerstraße sind bislang nicht mehr als eine schicke Hülle. Die „Herstellung der unmittelbaren und mittelfristigen Arbeitsfähigkeit“ der Geschäftsstelle als Macht- und Kraftzentrum der Parteispitze war daher auch vorherrschendes Thema eines Konvents der Funktionäre aus Bund und Ländern Anfang Oktober in Kassel.

In der Partei wird zudem überlegt, den Posten eines Generalsekretärs beziehungsweise eines politischen Geschäftsführers zu schaffen. Dieser könnte die Sprecher und den Vorstand entlasten und wäre für das Tagesgeschäft und die Organisation zuständig. Auch die bisherige Parteispitze aus drei gleichberechtigten Sprechern steht offenbar zur Debatte. Es gibt Überlegungen, diese zugunsten eines Parteivorsitzenden mit zwei Stellvertretern umzubauen. Mit anderen Worten: Lucke würde aller Voraussicht nach alleiniger Vorsitzender. Damit, so heißt es, würde der in der Öffentlichkeit sowieso schon vorherrschende Eindruck endlich auch organisatorisch nachvollzogen. Schon auf dem für Dezember geplanten Bundesparteitag könnte ein Umbau der Parteispitze auf der Tagesordnung stehen.

Wie auch immer die Parteispitze künftig zusammengesetzt sein wird: Die Führung wünscht sich mehr Handlungsfreiheit. Als problematisch wird angesehen, daß bislang alle Beschlüsse vom gesamten Vorstand gefaßt werden müssen. Dies hatte in der Affäre um den Aufnahmestopp von ehemaligen Mitgliedern der islamkritischen Partei Die Freiheit für Streit gesorgt (JF 42/13). So war die von Lucke in einer Pressemitteilung verkündete Entscheidung von anderen Mitgliedern des Vorstandes mit dem Verweis auf die Bestimmungen der Satzung aus formalen Gründen zurückgewiesen worden. Erst eine gemeinsame Erklärung aller Sprecher, in der auf einen bereits bestehenden Beschluß des Vorstandes zur Aufnahmepraxis verwiesen wurde, konnte die Einheit der Führung wiederherstellen und den Autoritätsverlust Luckes in Grenzen halten.

In der Sache ruderte Lucke am vergangenen Wochenende zurück und versuchte den Eindruck zu zerstreuen, bei den ehemaligen Mitgliedern der Freiheit, von denen in den vergangenen Monaten bereits viele zur AfD gewechselt sind, handele es sich per se um „Islamfeinde“ oder Extremisten. In einem internen Rundschreiben verwies er darauf, daß Die Freiheit ursprünglich als eine Abspaltung der Berliner CDU entstanden sei und sich erst im Laufe der Zeit radikalisiert habe. „Viele frühere Mitglieder haben die ‘Freiheit’ verlassen, gerade weil diese ihren ursprünglich liberal-konservativen Charakter zugunsten einer schwerpunktmäßig gegen den Islam ausgerichteten politischen Agenda aufgegeben hat“, schreibt Lucke nicht zuletzt mit Blick auf ehemalige Parteimitglieder in den Reihen der AfD. Von ihnen hätten sich einige in der Aufbauphase der AfD und im Wahlkampf große Verdienste erworben. „Nichts liegt mir ferner, als dies schmälern zu wollen“, versucht Lucke die Wogen zu glätten.

Unterdessen veröffentlichte die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung in der vergangenen Woche eine Studie zur AfD. Die Untersuchung versucht den Nachweis zu führen, daß es sich bei der Alternative für Deutschland um eine zumindest rechtspopulistisch beeinflußte Partei handelt. Dafür haben die Autoren um den Sozialwissenschaftler Alexander Häusler vom Forschungsschwerpunkt „Rechtsextremismus/Neonazismus“ der Fachhochschule Düsseldorf entsprechende Hinweise aus Veröffentlichungen und Verlautbarungen von Mitgliedern und aus dem AfD-Umfeld zusammengetragen. Die Schlußfolgerungen erscheinen dabei mitunter äußerst gewagt. So landen die Autoren im Abschnitt über das AfD-nahe libertäre Magazin Eigentümlich frei innerhalb weniger Sätze beim „Thüringer Heimatschutz“ und damit im Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“.

Im Ergebnis attestiert die Studie der Partei immerhin, keine Nähe zum Rechtsextremismus aufzuweisen. Es gebe keine belegbaren Gemeinsamkeiten mit einem verfassungsfeindlichen Neonazismus, heißt es als Fazit. Gleichzeitig ordnen die Wissenschaftler die Partei eindeutig rechts von der Union ein. Die AfD sei derzeit eine Partei „mit sowohl neoliberalen wie auch nationalkonservativen Einflüssen“.

Foto: Haltbare AfD-Wahlwerbung: Bereits im Januar sollen die Kandidaten für die Europawahl aufgestellt werden

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