© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Was fehlt, wird einfach aufgekauft
Investitionspolitik: Chinesische Konzerne nutzen die Nachwuchssorgen deutscher Mittelständler
Christian Schreiber

Erst war es nur Billigkram, inzwischen prangt selbst auf teuren Haushaltsgeräten, Markenelektronik oder Profiwerkzeugen oft ein „Made in China“. Nur eine Bastion steht: der deutsche Automarkt bleibt fest in deutscher Hand. Fast zwei Drittel der Neuzulassungen entfielen 2012 auf deutsche Hersteller oder ansässige Marken wie Ford und Opel. Chinesische Autos sind nicht darunter. Und selbst im Reich der Mitte vertraut nur ein Viertel der Autokäufer auf fahrbare Untersätze von Wuling, Changan, BYD & Co.

Versuche, den Geländewagen Landwind von Jiangling oder eine Brilliance-Limousine in Deutschland auf den Markt zu bringen, scheiterten 2005 und 2007 schon an katastrophalen Crashtest-Ergebnissen. Der dieses Jahr auf dem Genfer Autosalon vorgestellte Qoros 3 gilt zwar als sicher, doch Fahrzeuge mit Stufenheck erreichen hierzulande nur einen Marktanteil von unter fünf Prozent.

Gegen den Vorsprung der Platzhirsche aus Deutschland oder Japan haben chinesische Autohersteller keine Chance. Doch in der exportstarken Volksrepublik lagert ein billionenschwerer Devisenschatz an Dollar, Euro und Yen – und mit dem wird gezielt fehlende Technik und Markenimage eingekauft. Ein erster Schritt erfolgte 2010, als Ford die 1999 übernommene Volvo-Pkw-Sparte aus Geldnot an Geely aus Hangzhou verkaufte. Aktuell wird über den Einstieg des Staatskonzerns Dongfeng bei PSA (Peugeot und Citroën) spekuliert.

„Die europäische Autoindustrie verfügt über erhebliches technologisches Know-how und eine lange Automobiltradition“, erklärt Peter Fuß, Autoexperte bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). „Für expansionswillige Unternehmen, die schnell Top-Know-how und den Zugang zum Weltmarkt suchen, ist Europas Automobilindustrie trotz Absatzkrise sehr attraktiv.“ Die prekäre Lage bei einigen Herstellern sei eine Chance für Investoren aus Fernost: „Mit ihren üppigen Finanzmitteln können sie ohnehin Zukäufe in erheblichem Ausmaß stemmen.“ Laut einer EY-Studie rechnet jeder vierte chinesische Automanager damit, daß vermehrt ausländische Autokonzerne übernehmen werden.

Der Aufbruch nach Westen ist politisches Programm. Chinesische Staatskonzerne mischen kräftig mit – doch das scheint in der deutschen Öffentlichkeit kein Thema zu sein. Daß der Weltmarktführer bei exklusiven Bad-Armaturen, die sauerländische Firma Grohe, nach 15 Jahren in der Hand von anglo-amerikanischen „Heuschrecken“ 2014 an den japanischen Konkurrenten Lixil geht, war sogar der Boulevardpresse eine Meldung wert. Mit über drei Milliarden Euro wäre es die bislang größte japanische Investition in Deutschland.

Chinesische Investitionen finden dagen im stillen statt. Von einer „Gelben Gefahr“ wie in den achtziger Jahren, als Firmen aus Japan oder Taiwan westlichen Firmen Marktanteile abnahmen, traut sich zwar niemand mehr zu sprechen. Doch die Angst vor der „Roten Gefahr“, also kommunistischer Einflußnahme aufs Wirtschaftsleben, ist kein Phantom.

Eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung hält solche Ängste zwar für übertrieben: China fördere das Wachstum und schaffe Arbeitsplätze, so das Fazit der Studie „Aufbruch nach Westen – Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland“. Pekings „Going-out“-Strategie plane Auslandsinvestitionen in Regionen und Industrien, die ihr als strategisch wichtig gelten. Seit dem Jahr 2000 seien die Investitionsströme aus China von 0,9 auf 65 Milliarden Dollar gestiegen. Ziele seien die Verringerung der Exportabhängigkeit sowie der Zugang zu wichtigen Märkten, Rohstoffen und Schlüsseltechnologien – vor allem aus Europa und Amerika. Deutschland werde dabei von staatlichen Institutionen als „erwünschtes“ Zielland für Investitionen hervorgehoben. Im Fokus stünden Maschinenbau und Autoindustrie.

Befürchtungen, die Chinesen hätten mit ihren Investitionen in Deutschland „in der Summe Jobs vernichtet, sind unzutreffend“, heißt es in der Studie. „Die Deutschen müssen sich erst daran gewöhnen, daß Chinesen hierherkommen und investieren“, meinte Bertelsmann-Vorstandsmitglied Liz Mohn gegenüber dem Sender Deutsche Welle. Der Umgang mit chinesischen Investitionen sei nur „eine Aufklärungsfrage“.

Dabei ist das Tempo der chinesischen Aktivitäten enorm: „Setzt sich dieses Wachstum fort, werden sich chinesische Investitionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 2,1 Milliarden Dollar nochmals mehr als verdreifachen.“ Ein interessanter Aspekt ist die Tatsache, daß vor allem deutsche Mittelständler auf der Suche nach chinesischen Investoren sind, denn viele Familienunternehmen plagen Nachwuchssorgen. Die Chinesen würden nicht nur Geld bringen, sondern hätten meist auch langfristige Interessen. „Dies kann besser sein als die Übernahme durch einen US-Finanz­investor“, findet Bertelsmann-Autorin Cora Jungbluth. Die meisten deutschen Bundesländer unterhalten daher sogar Investitionsförderungsgesellschaften in Shanghai, Tsingtau oder Nanking.

Die Gefahr des Wissens- und Technologietransfers wird dabei bislang ausgeblendet (JF 3/13). Die Amerikaner sind da weiter: Dort ist schon seit 1975 das Committee on Foreign Investment in the US (CFIUS) für die Überwachung ausländischer Firmenübernahmen zuständig. „Seit 2006 darf das CFIUS eine bereits erfolgte Zustimmung zu einem Investitionsprojekt jederzeit widerrufen, falls zu irgendeinem Zeitpunkt Zweifel an dessen Übereinstimmung mit den nationalen Sicherheitsrichtlinien aufkommen sollten“, so Jungbluth.

Das Finsa-Gesetz von 2007 verlangt sogar, „daß das CFIUS alle ausländischen Investitionsprojekte gesondert untersuchen soll, in denen der Investor im Besitz einer ausländischen Regierung ist oder von ihr kontrolliert wird – ungeachtet der Geschäftstätigkeit“. Das CFIUS verweigerte daher dem Telekommunikationsausrüster Huawei die Übernahme der US-Firmen 3com (Netzwerke) und 3Leaf (Servertechnologie).

Der EY-Experte Fuß warnt ebenfalls: „Die Konkurrenz aus Fernost könnte sich in puncto Innovation und Markterfolg schneller zum ernstzunehmenden Wettbewerber mausern, als so mancher in Europa, Japan und den USA es wahrhaben will. Dabei hilft der Erfahrungsaustausch mit westlichen Unternehmenspartnern, aber auch das Know-how westlicher Manager und Ingenieure, die von chinesischen Firmen angeworben werden.“

Studie „Auslandsinvestitionen chinesischer Automotive-Unternehmen – Oktober 2013“: www.ey.com

Studie „Aufbruch nach Westen – Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland“: www.bertelsmann-stiftung.de

Foto: Übernahme der deutschen Gabelstapler-Firma Kion durch den Staatskonzern China Weichai Power: Mit 738 Millionen Euro die größte Direktinvestition – und besser als der Aufkauf durch einen US-Finanzinvestor?

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