© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Ewig diesen Tag zu feiern
Denkmal: Vor 150 Jahren wurde die Befreiungshalle Kelheim eröffnet
Sebastian Pella

Auf dem Michelsberg bei Kelheim, südwestlich von Regensburg, überragt ein imposanter Rundbau die Landschaft: die Befreiungshalle. Der bayerische König Ludwig I. ließ die Gedenkstätte für die siegreichen Schlachten in den Befreiungskriegen der Jahre 1813 bis 1815 – zunächst nur als Denkmal für die Schlacht bei Leipzig konzipiert – errichten und gedachte, mit ihr ein Mahnmal für die Einheit Deutschlands zu stiften.

Die Kelheimer Befreiungshalle steht in der Tradition Ludwigscher Monumentalbauten, die der König zum Ruhme Bayerns und der deutschen Nation errichten ließ: die Walhalla bei Regensburg sowie die Bavaria, die Feldherrnhalle und das Siegestor in München. Der Kunsthistoriker Helmut Scharf führte in seinem Standardwerk „Kleine Kunstgeschichte des deutschen Denkmals“ (1983) aus: „Im Jahre 1833 wurde am Münchener Karolinenplatz der Obelisk (Architekt: Leo von Klenze) (…) enthüllt. Diesem Denkmal folgte im Jahre 1841 die Grundsteinlegung zur 1843 vollendeten Feldherrnhalle (Architekt: Friedrich Gärtner), dem Denkmal für bayerische Feldherrn. Ein Jahr später wurde – gleichzeitig mit der Eröffnung der Walhalla – der Bau der Befreiungshalle, des Denkmals für die Befreiung Deutschlands von der Napoleonischen Fremdherrschaft, begonnen (…).“

Am 18. Oktober 1842 hatte Ludwig I. das Einweihungsfest der Walhalla bei Donaustauf begangen. Am folgenden Tag, dem 29. Jahrestag des Einzugs der Verbündeten in Leipzig, legte er den Grundstein für das monumentale Baudenkmal in Kelheim. Am 19. Oktober traf die gesamte Königsfamilie in Kelheim ein. Auf dem Michelsberg stimmte ein vaterländischer Chor von 200 Sängern sowie Landwehrmusikern „Lützows wilde verwegene Jagd“ an. Die Verse Theodor Körners waren in der Vertonung Carl Maria von Webers bereits Volkslied geworden. König Lud-wig I.ergriff das Wort: „Vergessen wir nie, was dem Befreiungskampfe vorhergegangen, was in die Lage uns gebracht, daß er notwendig geworden, und was den Sieg uns verschafft. Vergessen wir nie, ehren wir immer seine Helden. Sinken wir nie zurück in der Zerrissenheit Verderben. Das vereinigte Deutschland, es wird nicht überwunden.“

Nunmehr begann die eigentliche Zeremonie der Grundsteinlegung. Ludwig I. begab sich zu einer auf acht Säulen ruhenden Rotunde. Nachdem der bayerische König gemäß dem Protokoll für die Grundsteinlegung ausgewählte Objekte (bayerische Münzen, Felddenkzeichen von 1813/14, das Modell der Befreiungshalle) unter Fanfarenklängen niedergelegt hatte, wurde das von Ludwig I. gedichtete Festlied gesungen, dessen erste Zeilen lauteten: „Heil Euch, wackere Männer, / muth’ge Krieger, / Die errungen Ihr den Heldenkranz, / Heil Euch, treue Teutsche, tapf’re Sieger!“

1842 begann Gärtner, Direktor der Akademie der bildenden Künste, mit der Planung der Befreiungshalle nach dem Muster antiker und christlicher Zentralbauten, doch starb der königliche Baumeister im Jahr 1847 überraschend, so daß lediglich die Grundmauern und zwei Sockelstufen realisiert waren. Der Denkmalbau wurde aufgrund des Todes Gärtners unterbrochen und stand – den Wirren der 1848er-Zeit geschuldet – kurzzeitig sogar vor dem Aus. Ludwig I. mußte am 20. März 1848 abdanken; ihm folgte sein Sohn Maximilian II. Joseph. Für den verstorbenen Baumeister wurde mit Leo von Klenze, einem der herausragenden Architekten des deutschen Klassizismus, ein würdiger Nachfolger gefunden, der 1850 die Wiederaufnahme des Baus vermelden konnte. In seinem Konzept der Befreiungshalle erfolgte die Symbiose der Würde antiker Tempelanlagen mit der Wehrhaftigkeit mittelalterlicher Gralsburgen. In weiteren 13 Jahren Bauzeit schufen von Klenze und seine Mitarbeiter das monumentale Nationaldenkmal.

Die feierliche Eröffnung und Einweihung konnte so vor 150 Jahren, am 18. Oktober 1863, dem fünfzigsten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, stattfinden.

Die vom 17. bis 20. Oktober dauernden Eröffnungsfeierlichkeiten waren gigantisch. Die farbenfroh dekorierten Häuser und die Einwohner Kelheims bereiteten dem Bauherrn am 17. Oktober 1863 einen unvergeßlichen Empfang. Das Festprogramm begann mit einem musikalischen Reigen am Rande des Hafenbeckens. Ein Feuerwerk und die wohl mit bengalischen Fackeln erzeugte Beleuchtung der Befreiungshalle, „welche das Bauwerk aus den nächtlichen Schatten des bewaldeten Berges auf beeindruckende Weise hervorhob“ (Thomas Weber), wirkten auf die Anwesenden elektrisierend.

Am 18. Oktober versammelten sich die geladenen Gäste westlich der Befreiungshalle. Als sie die Freitreppe emporstiegen, erklangen militärische Fanfaren und ein Sängerchor trug den von August Becker gedichteten Festgesang vor:

„Brausend wie ein Hochgewitter

schalle heut des Sieges Dank,

Wo vor deutscher Kraft in Splitter

einst des Fremden Herrschaft sank.

Ewig diesen Tag zu feiern hob sich

an dem Donaustrand

Prächtig in dem Gau der Bayern

deutschen Ruhmes hoher Dom.

Sieg für Sieg aus Schildesrahmen

glänzt die große Heldenzeit.

Hier bei diesen hohen Namen denkt

daran, was uns befreit!

Einig zu dem Bau der Halle

Stamm für Stamm im Bild sich reiht –

Deutschland hat ja Raum für Alle –

Ihm sei jede Kraft geweiht!“

Ludwig I. verkündete hiernach: „Willkommen, tapfere Krieger des Befreiungskampfes, willkommen Alle. Es ist Deutschlands herrlichste Zeit; an ihr wollen wir festhalten. Ich kann nur sagen, was ich hier in der Befreiungshalle geschrieben: Möchten die Deutschen nie vergessen, was den Befreiungskampf notwendig machte und wodurch sie gesiegt.“

Alles von Rang und Namen aus den deutschen Ländern – die Vertreter von Königs- und Fürstenhäusern, hochrangige Militärs und Minister – begleitete den Bauherrn zur erstmaligen Besichtigung des Innern der Befreiungshalle. Dazu sang der auf der Galerie plazierte Chor das bereits bei der Grundsteinlegung vorgetragene Lied sowie „Was ist des Deutschen Vaterland?“ von Ernst Moritz Arndt. Zum Abschluß trugen sich die Anwesenden in das Fremdenbuch ein, und das auf der Galerie versammelte Bürgertum ließ den Bauherrn hochleben.

In der Zwischenzeit hatten sich außerhalb der Befreiungshalle Deutsche aus nah und fern eingefunden, um dem König ihre Dankbarkeit und Verehrung auszudrücken. Die Eröffnung der Befreiungshalle endete mit einem Festakt im „Deutschen Hof“ zu Kelheim, an dessen Ende Ludwig I. einen Toast auf das „ganze Deutschland“ ausbrachte. Kelheim war an diesem Abend von einem gigantischen Fackelzug erleuchtet.

Mögen die spärlichen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2013 auch oftmals den gesamt- und großdeutschen sowie nationalen Charakter der Befreiungskriege herunterspielen, wird jedem Betrachter des Nationaldenkmals auf dem Michelsberg sofort klar, daß es dem Erbauer um die Einheit Deutschlands ging. Die 18 Strebepfeiler an der Außenfassade symbolisieren mit Tafeln die deutschen Volksstämme, die an den Befreiungskämpfen 1812 bis 1815 beteiligt waren. So wartet das Hauptportal mit zwei schweren Türflügeln auf, die verkünden: „Den Teutschen Befreiungskämpfern Ludwig I. Koenig von Bayern“.

Kontakt: Befreiungshallestraße 3, 93309 Kelheim, Telefon: 0 94 41 / 6 82 07-0

www.kelheim.de

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