© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Dorn im Auge
Christian Dorn

Kommunikation, die verbindet: In der Galerie Tammen Vernissage vom „Willy Brandt Projekt“ des Künstlers Detlef Waschkau, dessen jugendliches Doppelbildnis von Frahm/Brandt in die SPD-Zentrale wandern wird. Treffe auf einen verjüngten, gutgelaunten Frank-Walter Steinmeier mit einer magentafarben leuchtenden Krawatte. Kurzes Gespräch zur JF und Aufklärung über den Unterschied von Wochen- und Sonntagszeitungen. Steinmeier verabschiedet sich mit den Worten: „Uns steht aber auch mehr Reputation zu!“

Kurzmitteilung von A., der im Zug nach Berlin sitzt. Es komme ihm vor, als sei dies die Direktverbindung Lampedusa-Hamburg. Sein Widerstand geht schließlich durch den Magen: „Königsberger Klopse“ im Bordrestaurant.

„Dieser Weg wird kein leichter sein“ – am Tresen von Burger King, wo schon längst keine deutsche Bedienung mehr anzutreffen ist, jammert mir der Messias der multikulturellen deutschen Leidkultur seine Botschaft ins Ohr. Zu Hause angekommen, wird mir Xavier Naidoo im TV-Programm als die deutsche „Jahrhundertstimme“ gepriesen. Gute Nacht!

Im Kino „Finsterworld“: Der Episodenfilm von Frauke Finsterwalder – Ehefrau von Christian Kracht (zusammen schrieben sie das Drehbuch) – ist eine wunderbar bitterböse Abrechnung mit Deutschland. Folgerichtig landen hier der radikale Naturliebhaber und der politisch-korrekte Geschichtslehrer, der mir wie eine Kopie von Patrick Bahners erscheint, im Knast. Der Lehrer durch den Besuch einer KZ-Gedenkstätte, wo ihm fälschlich unterstellt wird, eine Schülerin in den Verbrennungsofen gesteckt und sexuell belästigt zu haben. Das Mantra von der „Kollektivschuld“ wird so auch für den Pädagogen, der es permanent verkündete, nachvollziehbar.

Gut getroffen im Film ist das wohlhabende, antideutsche Ehepaar Sandberg, grandios gespielt von Corinna Harfouch und Bernhard Schütz, dessen Figur ein typischer „Manufactum-Faschist“ sei. In seiner Häßlichkeit anderen gegenüber muß sich Schütz wohl gar nicht verstellen. Am Garten Gethsemane, betont lässig an den Zaun gelehnt, traf ich ihn unlängst und fragte, warum er auf meine Nachrichten nicht geantwortet habe. Er faselte etwas von „Nazis“, mit denen er nicht sprechen müsse; ich dürfe doch dankbar sein, daß er sich herablasse, mir gerade zu antworten – und nicht einfach zuzuschlagen, dachte ich. Ich suchte nach Worten – und schließlich das Weite.

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