© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Aus dem Firmenlogo formt sich ein Hakenkreuz
Vergangenheit, die nicht vergehen will: Der Episodenfilm „Finsterworld" von Frauke Finsterwalder und Christian Kracht ist im Kino angelaufen
Ellen Kositza

Sonne flutet diesen Film. Ihre Strahlen dringen, abgemildert, sogar in den deutschen Urwald, den dieser Eremit bewohnt. Der Waldgänger ist eine von zwölf Figuren des Ensembles, die den genreübergreifenden Episodenfilm mit dem gegenläufig klingenden Namen „Finsterworld“ bevölkern. „Finsterworld“ verweist spielerisch auf den Namen der Regisseurin Frauke Finsterwalder, andererseits auf den Ort des Geschehens: Deutschland. Wo Licht ist, ist auch Schatten; das Bonmot läßt sich leichterhand umdrehen.

Dieses lichtdurchflutete Land stellt sich als verrückter Ort dar, im buchstäblichen Sinne: ver-rückt. Von seiten der Deutschen Film- und Medienbewertung, die „Finsterworld“ das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen hat, heißt es, der Film sei ein „Mikrozensus des intensiven Blicks hinter das befriedete Deutschland unserer Wohlstandsgesellschaft von heute. Hinter der Befriedung lauert die zugedeckte, verborgene Aggressivität.“

Der Film spitzt zu, er enthält sich gleichwohl der Form der Karikatur. Wir sehen neben dem Waldgänger, dessen Hütte am Ende von Chaoten zerstört wird, ein reiches, linkes Ehepaar, dessen hypertrophes Selbstverständnis sich aus dem Haß auf das eigene Land speist. Wir sehen sie einen Mietwagen ordern, „kein Nazi-Auto!“ Es kommt ein Cadillac, wunschgerecht. Wird er rasant gefahren, der Cadillac, und das wird er, formt sich aus dem Firmenlogo in den Felgen ein Hakenkreuz. Es gibt kein Entkommen. Er ist wieder da, als wäre er nie „verarbeitet“.

Wir sehen eine Schulklasse bei ihrem pflichtgemäßen KZ-Besuch. Der Lehrer trägt im Reisebus tragische Gedichte vor, fordert nach dem Rundgang die Schüler auf, ihre Gefühle zu äußern, zu „thematisieren“. Er erntet Schweigen. Ein Schüler hat sich auf der Fahrt ins KZ abgesetzt, er führt auf Feldwegen ein tiefsinniges Gespräch mit Ernst Jüngers Lieblingstier, dem Hirschkäfer. Später wird er von dem Pärchen im Auto mitgenommen. Das Ehepaar hetzt genüßlich über dieses beschissen-häßliche Land. Es ist ihr Lieblingsthema, an dem sie sich aufrichten können. Der Schüler entgegnet, das Land sei absichtsvoll verhäßlicht worden. Zu NS-Zeiten sei ja alles ziemlich schön gewesen, wenn man das Schreckliche außer acht lasse. Heute trimme man alles bewußt auf Häßlichkeit, damit „so was“ nie wieder geschähe.

„Finsterworld“ ist ein schillernder Film. Spektakulös wird er dadurch, daß der Gatte der Regisseurin, Christian Kracht, Hand ans Drehbuch legte. Der Schriftsteller Kracht geistert seit zwanzig Jahren durch die feuilletonrelevanten Sphären. Sein letzter Roman, „Imperium“ (2012, JF 9/12), war in schnödesten Verruf geraten. Kracht sei „der Türsteher der rechten Gedanken. An seinem Beispiel kann man sehen, wie antimodernes, demokratiefeindliches Denken seinen Weg findet hinein in den Mainstream“, hatte der Spiegel damals befunden. Die lichte Finsterwelt, man sollte sie kennen.

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