© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/13 / 01. November 2013

Stasi und SED: Kompetenzgerangel statt „Schild und Schwert“
Ein Eigenleben entwickelt
(wk)

In seiner Detailanalyse des Wirkens der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit in Karl-Marx-Stadt kommt der Chemnitzer Nachwuchs-Politikwissenschaftler Gunter Gerick zu folgenden Schlußfolgerungen: Obgleich sich auch diese Stasibehörde als „Schild und Schwert der Partei“ sah und daher eng mit der SED-Bezirksleitung kooperierte, entwickelte sie „ein beachtliches Eigenleben“, von dem die Partei nur begrenzt wußte, weil es in einer „konspirativen Grauzone“ stattfand (Zeitschrift für Politik, 3/2013). So setzte sich die Stasi in Karl-Marx-Stadt sogar über scheinbar unverrückbare Herrschaftsstrukturen hinweg und unternahm eigenmächtige Eingriffe in die Wirtschaft und den Staatsapparat vor Ort. Grund hierfür war die Unfähigkeit führender lokaler Parteifunktionäre mit Bezirkschef Siegfried Lorenz an der Spitze. Deshalb spricht Gerick von „einem Spannungsverhältnis von SED und MfS“ sowie „Kompetenzgerangel“, das nur deshalb zu keinem Eklat geführt habe, weil die Kompetenzüberschreitungen der Stasi im Normalfall lautlos abliefen. Das MfS sei also nicht nur ein Terror- und Verfolgungsorgan gewesen, sondern auch ein „Generalkontroll- und Steuerungsorgan“, das sich intensiv darum bemühte, das Versagen der Partei zu kompensieren, ohne aber zugleich auf eine Systemänderung hinzuarbeiten.

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