© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

Bundesregierung erwägt Anti-Spionage-Abkommen
Naives Entsetzen
Günther Deschner

Die Aufregung um amerikanische Abhörpraktiken, die nun in Berliner Amtsstuben herrscht, ist wenig glaubwürdig. Denn das, was nun als Skandal gehandelt wird, ist weder neu, noch war es zuvor unbekannt. Ein sogenanntes „No-spy“-Abkommen mit Washington, wie es jetzt von der Bundesregierung ventiliert wird, ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt werden müßte; als würden sich amerikanische Geheimdienste an solche Vorgaben halten ... Genauso naiv freilich wäre es, dem „Whistleblower“ Edward Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren; Amerika würde sich nur noch mehr in seiner von Mißtrauen bestimmten, rücksichtslosen Daten-Sammelwut bestärkt fühlen.

Die Vereinigten Staaten liefern ein irritierendes Bild: Ihrer Wirtschaft fehlt der einst unwiderstehliche Zug in die Zukunft. Im Land übernehmen mehr und mehr Fanatiker das Zepter, die Suche nach Kompromissen wird gezielt torpediert. Doch diese Einbußen an Glaubwürdigkeit hindern die Amerikaner nicht daran, ganz selbstverständlich von ihrem Supermacht-Status Gebrauch zu machen: Sie zwingen fremden Staaten ihre Gesetze auf, führen völkerrechtswidrige Drohnenkriege, profitieren von der privilegierten Rolle ihrer Währung und spionieren nach Belieben bei Freund wie Feind. Vielleicht ist das Entsetzen über die NSA-Enthüllungen bei Berliner Politikern deshalb so groß, weil es den Wunsch untergräbt, Amerika zu bewundern.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen