© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

E-Post und Besprechungen fressen zwei von fünf Arbeitstagen
Ablenkung unvermeidlich
Markus Brandstetter

Wenn die alten Römer sich über den Zustand der Welt informieren wollten, beobachteten sie den Flug der Vögel und schnitten Opfertieren den Leib auf, um in ihren Eingeweiden zu lesen. Heute vertrauen wir statt dessen auf die prognostischen Kräfte wissenschaftlicher Studien, von denen, wie der britische Economist berichtete, bis zu 80 Prozent fehlerhaft, gefälscht oder frei erfunden sind. Da ist es tröstlich, daß nun eine Untersuchung der AKAD Bildungsgesellschaft erschienen ist, deren Ergebnisse schon auf den ersten Blick jedem einleuchten.

„Arbeitswelten im Wandel – Auswirkungen von etablierten Kommunikationsmitteln und sozialen Medien auf die Effizienz modernen Arbeitens“ lautet der Titel, unter dem sich ein Praktiker kaum etwas vorstellen kann, der aber wohl deshalb gewählt wurde, damit die Untersuchung zumindest wissenschaftlich klingt. Wir vergessen diesen Satz sofort wieder und merken uns einfach, daß untersucht wurde, wieviel Zeit Mitarbeiter in Unternehmen durch elektronische Post und Besprechungen verlieren. Wer jetzt spontan aus dem Bauch heraus geantwortet hat: vermutlich jede Menge, der liegt richtig.

Frauen, stellt sich heraus, verbringen im Schnitt 17 Prozent ihrer Arbeitszeit in Besprechungen, das sind bei der weit verbreiteten 38-Stunden-Woche fast sieben Stunden, also ein ganzer Tag. Die Männer, die hier endlich mal kommunikativer als die Frauen sind (weshalb sie am Abend keine Zeit mehr zum Reden haben), tummeln sich fast acht Stunden pro Woche in Besprechungen und verwenden zwanzig Prozent ihrer Wochenarbeitszeit darauf. In Großunternehmen wird mehr Zeit in Konferenzen abgesessen als im Mittelstand, weil mehr Hierarchieebenen und mehr Chefs die Entscheidungsfindung kompliziert und aufwendig machen. Ganz auf Besprechungen verzichten will aber keiner der Befragten, doch sind sich alle einig, daß durch bessere Organisation eine halbe Stunde je Besprechung eingespart werden könnte.

Nach den Besprechungen ist der größte Produktivitätsfresser im Betrieb die Bearbeitung von E-Post. 36 Stück davon erhält jeder Mitarbeiter pro Tag im Schnitt. Um die zu bearbeiten, braucht er oder sie bis zu zwei Stunden täglich. Trotzdem will keiner auf den meistgenutzten Internetdienst verzichten, weil der die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden vereinfacht.

Zählt man die ganzen Belastungen und Ablenkungen zusammen, die Besprechungen, E-Post, Facebook, Twitter, WhatsApp, Xing & Co. mit sich bringen, dann gehen damit zwei von fünf Arbeitstagen drauf. Eine gute Organisation kann hier vermutlich einen halben Tag einsparen, aber mehr wird nicht drin sein. Ineffizienz gehört zum Leben wie der Schlaf, weil wir Menschen sind und keine Maschinen.

AKAD-Studie „Arbeitswelten im Wandel“: blog.akad.de

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