© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

Kein Grund zum Feiern
Weltfinanzkrise: Teure Zwischenbilanz der Notverstaatlichungen und Rettungspakete für Banken und Großkonzerne / Steuerzahler müssen draufzahlen
Christian Schreiber

Die Euro-Krise und die milliardenschweren Rettungsfonds sind in aller Munde. Die Kosten der Weltfinanzkrise, die mit der Lehman-Bro­ther-Pleite 2008 Fahrt aufnahm, werden kaum noch diskutiert. Dabei werden die Folgen für den Steuerzahler noch jahrzehntelang spürbar sein. Staaten wurden über Nacht Mehrheitsaktionär zahlungunfähiger Finanzkonzerne und Industrieunternehmen.

Allein 67 Milliarden Dollar ließ sich die US-Regierung die Rettung des einst weltgrößten Versicherers AIG kosten. Fünf Jahre später konnten durch Aktienverkäufe immerhin 54 Milliarden Dollar zurückgezahlt werden. Doch dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Wie die Rechercheorganisation ProPublica ermittelt hat, wurden von den 604 Milliarden Dollar an Krediten, mit denen die US-Regierung Banken und Unternehmen seit 2007 gestützt hatte, bis Ende 2012 nur 304 Milliarden Dollar zurückgezahlt. Etwa 700 Finanzinstitute erhielten Hilfen, 300 hängen noch am Tropf des Steuerzahlers. Weder Republikaner noch Demokraten sprechen gern darüber – begann dieser Sozialismus für Konzerne doch unter George W. Bush, er wird unter Barack Obama nahtlos fortgesetzt.

Und es gibt weitere wunde Punkte. Die Rettung des Weltkonzerns General Motors zum Beispiel. Im Frühjahr kündigte die US-Regierung an, sie werde sich weiter aus dem Autobauer zurückziehen, den sie auf dem Höhepunkt der Krise mit Aktienkäufen von rund 50 Milliarden Dollar vor der Pleite bewahrte. Bis Anfang 2014 soll die Reprivatisierung abgeschlossen sein, doch der GM-Aktienkurs dümpelt bei 27 Dollar. Das staatliche Rettungsprogramm Troubled Asset Relief Program (TARP) gibt an, daß der Staat mit fast 15 Milliarden Dollar Minus aus der GM-Rettung belastet wird. Regierung, Opposition und Lobbyisten verteidigen die staatlichen Milliardenhilfen für Privatfirmen und verweisen auf den Fall AIG. Der Versicherungsriese arbeite wieder stabil.

Im Kleingedruckten des TARP-Berichts steht aber, daß AIG noch 13 Milliarden Dollar zurückzahlen muß. Der ehemalige TARP-Chef Neil Barowsky zieht eine kritische Bilanz: „Schnelles Handeln war richtig und wichtig. Aber im Falle GM hätte es eine einfache Insolvenz auch getan. Mit dem verzweifelten Versuch, die Wall Street zu retten, hat das Finanzministerium einen katastrophalen Verlust für alle Amerikaner in Kauf genommen“, schrieb er in einer Kolumne und fügte hinzu: „Es bleibt die Angst, daß Unternehmen und Finanzinstitute durch die Hilfen wenig dazugelernt haben und sich auch in Zukunft auf Washington verlassen.“

Diese Gefahr besteht freilich auch in Deutschland. Die Rettung der Banken durch die Merkel-Steinbrück-Regierung war ein gutes Geschäft für die Finanzindustrie – aber ein miserables für die Steuerzahler. Die Staatseingriffe infolge der Finanzkrise könnten zwischen 34 und 52 Milliarden Euro kosten. Alleine die Commerzbank hat vom staatlichen Rettungsfonds Soffin mehr als 16 Milliarden Euro kassiert. Auch die HSH Nordbank, die WestLB, die HRE oder die Bayern LB haben vom Soffin Milliarden bekommen, um letztlich Gläubiger wie die Deutsche Bank oder die Allianz sauber dastehen zu lassen.

Nach ARD-Recherchen machte der Staat bis Ende 2012 mit Soffin insgesamt einen Verlust von 21,5 Milliarden Euro. Der Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Martin Hellwig, schätzt die Kosten der Bankenrettung sogar auf bis zu 70 Milliarden Euro. Vorige Woche erlebte der Soffin seinen fünften Geburtstag. Doch einen Grund zum Feiern gibt es nicht. „Die USA, die ja von der Krise früher betroffen waren als wir in Europa, sind die Säuberung des Bankensektors viel gezielter angegangen“, konstatierte Katharina Barten, Analystin der Ratingagentur Moody’s, in der Berliner Zeitung. Die deutsche Regierung habe keine gute Figur abgegeben. Selbst die Abwrackprämie zur Stützung der Autoindustrie habe keine nachhaltige Wirkung entfaltet. Im Gegenteil. Unter dem Strich hat der Steuerzahler 2,6 Milliarden Euro draufgezahlt.

Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin): www.fmsa.de/

„Monthly Report to Congress – Troubled Asset Relief Program“ 10/13: treasury.gov

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