© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Als Tito die falschen Flaggen hißte
Bombenattentate in Kärnten: Von 1972 bis 1979 erschütterten mysteriöse Sprengstoffanschläge das österreichische Bundesland
Jürgen W. Schmidt

Es begann mit dem Sprengstoffanschlag auf einen Hochspannungsmast in der Gemeinde Horzach am 16. Oktober 1972. Ihm folgte am 16. September 1973 die Sprengung des gerade erst 14 Tage vorher enthüllten, zwei Meter hohen Marmordenkmals im Dorf Robesch, welches an die Aktivitäten slowenischer Partisanen in Kärnten im Zweiten Weltkrieg erinnern sollte. Der nächste Bombenanschlag traf das Büro des „Zentralverbandes slowenischer Organisationen“ in Klagenfurt am 4. Oktober 1973.

Es sah fast so aus, als wollte hier jemand gezielt die slowenische Minderheit in Kärnten reizen. Fast wie im Gegenzug fanden nun drei Sprengstoffanschläge gegen nationalkonservative Einrichtungen statt, die das Gedenken an den blutigen „Kärntner Abwehrkampf“ gegen den „SHS-Staat“ 1919/20 pflegten, zuerst im Juni 1974 auf das „Haus der Heimat“ in Miklauzhof und dann im November 1974 auf das Büro des „Kärntner Heimatdienstes“ in Klagenfurt. Anschließend flog in Völkermarkt am 16. Juni 1976 das Denkmal des großdeutschen Agitators Hans Steinacher in die Luft, worauf im Gegenzug die Sprengung des Denkmals für die slowenischen Partisanen in der Gemeinde Kömmel am 31. Oktober 1976 folgte.

Die nächsten vier Bombenanschläge von November 1976 bis September 1977 trafen Bahn- und Energieanlagen in Kärnten, unterbrochen am 8. August 1977 durch ein Attentat auf das Denkmal der Kärntner Abwehrkämpfer in der Gemeinde St. Kanzian. Scheinbar lieferten sich hier deutsch-österreichische Nationalisten und chauvinistische Slowenen eine erbitterte Auseinandersetzung, welche man mit Sprengstoffen austrug.

Nach den Anschlägen kam es jeweils zu Massenprotesten empörter slowenischer bzw. antislowenischer Demonstranten. Ein einziges Mal nur gelang es der Polizei einen Attentäter zu fassen. Der Attentäter von Robesch erwies sich als ein 26jähriger österreichischer Nationalist namens Molitschnig, der pikanterweise selbst slowenischer Herkunft war, den Anschlag aber ausgerechnet aus Haß gegen alles Slowenische verübte. Daß hier eine unsichtbare Hand im Spiele war, welche sehr bewußt in Kärnten österreichische Nationalisten und Slowenen gegeneinander hetzte, zeigte sich überraschenderweise nach dem dreizehnten Sprengstoffanschlag, womit die Anschlagsserie jäh endete.

Bei jenem Anschlag vom 18. September 1979 sollte das an den Kärntener Abwehrkampf erinnernde Heimatmuseum im Rathaus der Stadt Völkermarkt attackiert werden. Doch die Bombe detonierte vorzeitig und riß dem Hauptattentäter ein Bein ab. Auch seine Begleiterin und ein Museumswärter erlitten Verletzungen. Die beiden Attentäter gaben sich anfangs als Italiener aus und führten gefälschte Personalpapiere mit, was der österreichischen Regierung unter Bruno Kreisky die erwünschte Möglichkeit gab, anfänglich an italienische Terroristen zu glauben. Allerdings stellten die rührigen österreichischen Sicherheitsbehörden schnell fest, daß beide Täter hauptamtliche Mitarbeiter der Unterfiliale „Sora“ des jugoslawischen Geheimdienstes UDBA in Marburg an der Drau (Maribor) waren.

Die UDBA wollte, wohl im Auftrag von Tito persönlich, durch Attentate in Kärnten die Österreicher zu einer Bedrückung der slowenischen Minderheit veranlassen, um es dadurch Jugoslawien zu ermöglichen, als Unterstützer seiner unterdrückten „Brüder“ im Ausland aufzutreten. Nunmehr wurden seitens Jugoslawiens Anstrengungen unternommen, die Österreicher glauben zu machen, verirrte jugoslawische Slowenen hätten diese bedauerlichen Attentate in Eigenregie ausgeführt. Dabei pfiffen es die Spatzen von den Dächern, daß der betrunkene „Volksheld“ des Partisanenkrieges Tone Vidmar, mit einer geladenen Pistole wild um sich fuchtelnd beim Chef der slowenischen Staatsicherheit in Laibach (Ljubljana) erschienen war. Sein Sohn hatte nämlich als Geheimdienstbeamter beim Attentat ein Bein verloren. Beide Angeklagten verschwiegen 1980 während des Prozesses eisern ihre Eigenschaft als Beamte des jugoslawischen Geheimdienstes, und in Österreich tat man so, als glaube man ihnen. Zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, tauschte man sie später stillschweigend gegen den österreichischen Hauptmann Gerhard Lackner aus, welcher 1978 beim Spionieren in Jugoslawien aufgeflogen war.

Der slowenische Publizist Igor Omerza enthüllte in seinem gut dokumentierten Buch „Bombenattentate“ (Klagenfurt 2012), daß mindestens vier weitere Sprengstoffattentate aus jener Anschlagsserie von 1972 bis 1979 auf das Konto des jugoslawischen Geheimdienstes gingen. Im seit 2004 der EU zugehörigen Slowenien herrscht noch heute kein freier Zugang zu den Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, so daß weitere Überraschungen aus Geheimdienstarchiven jederzeit möglich sind.

Foto: Demonstration gegen Diskriminierungen der slowenischen Minderheit in Kärnten, Wien 1972: Das Ziel Jugoslawiens war es, als Unterstützer seiner unterdrückten Brüder im Ausland aufzutreten

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