© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Mit geschlossenem Visier
Outing-Aktion: In Hannover prangert die linksextreme Antifa eine Politikstudentin an, weil sie Mitglied der NPD ist / Die Universität verurteilt das Vorgehen
Felix Krautkrämer

Der ganze Vorgang dauert nur wenige Minuten. Der Hörsaal des Instituts für Politische Wissenschaft der Leibniz-Universität Hannover ist gut besetzt. Es ist ein Donnerstag, das Wochenende naht. In einer der hinteren Reihen sitzt eine junge Frau, es ist ihr erstes Semester. Doch Christina Krieger studiert nicht nur Politik, sie betreibt sie auch: Für die NPD stand sie bei der Bundestagswahl im September sowie der niedersächsischen Landtagswahl im Januar auf dem Stimmzettel. Außerdem ist sie Mitglied des Landesvorstands.

An der Universität ist die 23jährige politisch jedoch nicht in Erscheinung getreten. Dennoch provoziert allein ihre Präsenz die linksextreme Antifa, weshalb an diesem Tag eine Handvoll Verkleideter und Vermummter in den Hörsaal stürmt und die Vorlesung stört. Die Männer und Frauen halten Plakate mit Aufschriften wie „Die ganze Uni haßt dich“ empor, verteilen Flugblätter, postieren sich um Krieger und zeigen mit großen orangefarbenen Pfeilen auf sie. Ein Störer hält eine kurze Ansprache, in der er Krieger vorwirft, „gegen migrantische Mitbürger und Homosexuelle“ zu „wettern“. Seine im Stakkato vorgetragene Rede erinnert an das Schlußplädoyer eines kommunistischen Schauprozesses.

Viele Studenten wissen nicht, wie sie reagieren sollen und starren ihre Kommilitonin an. Immer mehr Köpfe drehen sich zu ihr um. Einige scheinen genervt, andere lachen verlegen. Protest gibt es nicht. Auch der Dozent wirkt verstört. Dann ist der Spuk vorbei. Später brüstet sich die linksextreme „Antifaschistische Aktion Hannover“ im Internet mit der Outing-Aktion. Auch wenn von Krieger „keine direkte körperliche Bedrohung“ ausgehe, sei es nicht hinnehmbar, „daß eine rassistische Hetzerin an der Uni Hannover studiert“.

Das jedoch sieht man dort anders: In ungewöhnlich deutlichen Worten verurteilte die Universität das Verhalten der Antifa. „Wir suchen unsere Studenten weder nach der Hautfarbe noch nach der politischen Meinung aus – jeder hat das Recht, hier zu studieren“, stellte der Geschäftsführer des Instituts für Politische Wissenschaft, Marian Döhler, gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen klar. Ihm sei nicht bekannt, daß Krieger bislang an der Universität irgendwie für die NPD geworben habe. Auch der Dekan der Philosophischen Fakultät, Harry Noormann, zeigte sich „entsetzt über die denunziatorische Form der Protest-aktion“. Man werde es nicht zulassen, daß Personen an der Universität wegen ihrer politischen Gesinnung öffentlich gebrandmarkt werden.

Dies wiederum wollte die SPD so nicht stehenlassen und nahm die antifaschistischen Anprangerer in Schutz. Die Demokratie müsse wehrhaft sein, warnte der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat von Hannover, Lars Kelich. Die Universität sei Teil des demokratischen Staates. Insofern hätte er sich von dieser zuallererst ein klares Bekenntnis gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erwartet. Statt dessen habe ihn die Reaktion des Instituts für Politische Wissenschaften enttäuscht. Der Antifa Denunziation zu unterstellen, dränge Krieger „in eine Opferrolle, die angesichts ihrer rechtsextremen Ausrichtung völlig unangemessen ist“. Nicht die Art der Protestaktion solle in den Vordergrund gestellt werden, sondern „die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegenüber demokratiefeindlichen Gesinnungen“. Daher erwarte er sich auch eine Richtigstellung durch die betroffenen Dozenten, mahnte der SPD-Politiker.

Eine Antwort erhielt er durch den Präsidenten der Universität, Erich Barke. Dieser teilte am Montag mit, auch die Hochschulleitung halte das Vorgehen der Antifa für „unakzeptabel“. Zwar gehörten studentische Aktionen zum Universitätsleben dazu. Die eigene Identität zu verschleiern, um die Identität einer anderen Person öffentlich zu machen, sei jedoch „feige und undemokratisch“. Rechtsradikale Tendenzen müßten vielmehr gemeinsam bekämpft werden. Dieser Kampf, so Barke, müsse aber bitte „mit offenem Visier“ geführt werden.

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