© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Den Völkern die Freiheit zurückgeben
Kooperation EU-kritischer Parteien: Front National, Geert Wilders’ Partei für die Freiheit und die FPÖ gehen wenige Monate vor der Europawahl in die Offensive
Mina Buts / Curd-Torsten Weick

Dies ist ein historischer Tag. Wir werden uns gemeinsam von der EU-Elite und dem Monster Brüssel befreien“, erklärte der niederländische Politiker Geert Wilders von der islamkritischen Partei für die Freiheit (PVV) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Vorsitzenden des französischen Front National, Marine Le Pen. Wilders weiter: „Wir sind die alten Staaten in Europa, aber wir müssen für alles in Brüssel um Zustimmung bitten. Wir sind verpflichtet zu akzeptieren, was uns auferlegt wird, wer unsere Grenzen überschreitet. Wir wollen unseren Völkern die Freiheit zurückgeben.“ Und Marine Le Pen stimmte ein, dieser Tag sei ein „Wendepunkt“.

Die Konferenz vergangene Woche war nicht nur von außerordentlich hohen Sicherheitsvorkehrungen, sondern auch von großem Medienrummel begleitet. Kein Wunder, liegt doch die PVV aktuellen Umfragen zufolge auf dem ersten Platz in der Wählergunst und könnte mit einem Drittel aller Stimmen rechnen. Ebenso der Front National. Wilders Partei tritt dabei nicht nur gegen weitere Immigration, sondern auch gegen einen weiteren Machtverlust des Landes zugunsten einer immer weiter aufgeblähten Europäischen Union ein.

Genau diese Themen verbinden ihn mit dem Front National (FN). Nach seiner jahrelangen und kategorischen Weigerung, mit dem Front National überhaupt nur zu reden, was er vor allem mit dessen Antisemitismus begründete, hat er nun auf europäischer Parlaments-ebene eine Zusammenarbeit ausdrücklich angekündigt. Wilders betonte, daß er die antisemitischen und rassistischen Äußerungen von Vater Jean-Marie Le Pen niemals unterschrieben hätte, aber er sei sich sicher, daß auch die Tochter diese nicht unterschreiben würde. Vor ihm stehe die möglicherweise nächste Präsidentin Frankreichs, eine „charismatische und herausragende“ Frau, jedenfalls aber eine Freundin. Fast demonstrativ redeten die beiden sich mit ihren Vornamen an.

Wilders Schwenk hin zum Front National wurde in den Niederlanden nur vorsichtig kommentiert. Der stellvertretende Ministerpräsident Lodewijk Asscher äußerte sich zwar „höchst erstaunt“. Aber es sei „seine Wahl, seine Freiheit“, die Wähler müßten schließlich mit sich selbst ausmachen, welcher Partei sie ihre Stimme geben würden.

Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament, die im Mai 2014 stattfinden, wollen PVV und FN auch mit dem Vlaams Belang, den Schwedendemokraten, der Lega Nord und der FPÖ zusammenarbeiten, um eine Fraktion zu bilden. Dafür wären 25 Abgeordnete aus sieben Ländern notwendig.

Die Chancen dafür stehen gut, befinden sich doch die europäischen, EU-kritischen, rechtsdemokratischen Parteien fast überall im Aufwind. Schon im Sommer tingelte Wilders durch Europa und führte Gespräche mit der FPÖ, den Schwedendemokraten und dem Vlaams Belang. Das Gespäch mit Wilders sei „außerordentlich positiv“ verlaufen, bekräftigte der Europaabgeordnete des Vlaams Belang, Philip Claeys, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Vergangenes Wochenende trafen sich in Wien Verteter europäischer Rechtsparteien, um die Möglichkeiten nach der Europawahl auszuloten. Das Fehlen der PVV erklärte Wilders lapidar damit, daß seine Partei ja gerade einen niederländischen Ausweg aus der EU suche, die Bildung einer paneuropäischen Partei daher sinnlos sei. Tatsächlich wäre die Signalwirkung, die von dem Treffen in der vergangenen Woche ausging, hier allenfalls geschmälert worden.

Die Initiative zur Zusammenkunft am Wochenende hatte Andreas Mölzer, der Europaabgeordnete der FPÖ, ergriffen. Europaabgeordnete der Schwedendemokraten, des Vlaams Belang, des Front National, der FPÖ, der Slowakischen Nationalpartei (SNS) und der Lega Nord trafen sich, um den„Prozeß der gegenseitigen Annäherung“ zu fördern und „alte Gegensätze“ abzubauen“.

Als Ergebnis präsentierten der FPÖVorsitzende Heinz-Christian Strache und Mölzer den Inhalt einer gemeinsamen Absichtserklärung. Demnach treten alle Teilnehmer für die Erhaltung der nationalen Souveränität, gegen den „Brüsseler Zentralismus“ und eine „ausufernde“ EU-Bürokratie ein. Sie kritisieren zudem Massenzuwanderung, Islamisierung, den EU-Beitritt der Türkei, das „Diktat der internationalen Finanzmärkte“, die Fehlkonstruktion der Euro-Einheitswährung, die Auswirkungen der Globalisierung, Lohndumping und „Genderwahn“ .

In die gleiche Kerbe schlugen Wilders und Le Pen. Bei der Kooperation gehe es darum, für die Souveränität über die eigenen Grenzen, die eigene Währung, Wirtschaft und Legislative zu kämpfen. „Die Völker kehren zurück“, rief die FN-Chefin und hob den Umstand hervor, daß die EU nicht nur „ohne die Völker, sondern gegen die Völker“ Politik betreibe. Vor diesem Hintergrund forderte Wilders die Zusammenarbeit aller „patriotischen“ Parteien in der EU.

Doch gerade hier treten seit Jahren Dissonanzen auf. So sind die Dänische Volkspartei (DF) und die Wahren Finnen in der Parlamentsfraktion unter Führung der United Kingdom Independence Party (UKIP) zusammengeschlossen. Nigel Farage hatte es nach der EU-Wahl 2009 mit einigen Kniffen und Tricks geschafft, die nötige Anzahl Abgeordneter aus sieben EU-Ländern in seiner EU-kritischen Fraktion „Europa der Freiheit und Demokratie“ zu versammeln. Eine Kooperation mit dem FN und Wilders lehnte und lehnt Farage ebenso wie die DF und die Wahren Finnen kategorisch ab. Wilders’ Standpunkt gegenüber dem Islam und antisemitische Tendenzen im Front National stünden einer Zusammenarbeit im Wege, so die Kommentare aus London, Kopenhagen und Helsinki.

Trotz der heftigen Vorwürfe zeigte sich Wilders ungerührt. Er zollte der politischen Arbeit von UKIP und DF seinen Respekt und sprach die Hoffnung aus, daß diese nach der Europawahl ihre Anti-Haltung noch einmal überdenken. Auch Strache und Mölzer zeigten sich überzeugt, daß sie die notwendige Anzahl an Mandaten zustande bekommen werden. Eine Zusammenarbeit mit den Parteien, die zur Zeit in der „Europäischen Allianz der nationalen Bewegungen“ (AEMN) kooperieren, schlossen sie dabei aus.

 

Allianzen EU-kritischer Parteien im Europaparlament

EU-Fraktion (mindestens 25 Abgeordnete aus 7 Ländern)

„Europa der Freiheit und der Demokratie“ (EFD)

UKIP (GB) 9 Sitze

Lega Nord (I) 7 Sitze

Ich liebe Italien (I) 1 Sitz

Dänische Volkspartei (DK) 1 Sitz

Laos (GR) 2 Sitze

Ordnung und Gerechtigkeit (LT) 2 Sitze

Wahre Finnen (FI) 1 Sitz

People for Real (BG) 1 Sitz

Frank Vanhecke (BE) 1 Sitz

Solidarisches Polen (PL) 4 Sitze

Mouvement pour la France (FR) 1 Sitz

Reformierte Politische Partei (NL) 1 Sitz

Slowakische Nationalpartei (SK) 1 Sitz

Allianzen ohne EU-Fraktionsstatus

 

„Europäische Allianz für Freiheit“ (EAF)

FPÖ (A) 2 Sitze

Vlaams Belang (BE) 1 Sitz

Schwedendemokraten –

Godfrey Bloom, (GB) 1 Sitz

Front National (FR) 2 Sitze

 

„Europäische Allianz der nationalen Bewegungen“ (AEMN)

Jobbik (HU) 1 Sitz

British National Party (GB) 1 Sitz

Bruno Gollnisch, Front National (FR) 1 Sitz

Fiamma Tricolore (I) 1 Sitz

National-Demokratische Partei (BG) 1 Sitz

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