© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Zeitschriftenkritik: Atrium
Sein als Design
Werner Olles

Das Spezifikum des Postmodernismus bestand von Anfang an darin, daß er ausnahmslos alle Inhaltsbezüge in Ästhetik verwandelte, also in Design. Freilich muß Design dabei in einem sehr weiten Sinne verstanden werden. Der Medien-Guru Norbert Bolz hat dies mit der Bemerkung, daß Design selbst Sinn darstelle, ins Philosophische übersetzt: „Design verschafft und ist selbst Orientierung. Deshalb hat das Design niemals ein Sinnproblem, sondern ist seine Lösung. Wer heute Kants Frage ‘Was ist der Mensch?’ beantworten will, muß Design studieren.“ Was Adorno und Horkheimer zu diesen abgeschliffenen Äußerungen der Kritischen Theorie sagen würden, kann man zwar nur erahnen, zumindest würden sie solch trendforscherische Welterklärung wohl als kulturalistische Illusion und pseudorevolutionären Gestus entlarven.

Was die Welt des Designer-Bewußtseins im Innersten zusammenhält, sind unverzichtbare Entscheidungshilfen, die mit dem traditionellen Instrumentarium der Marktanalyse längst nicht mehr erforschbar sind. So präsentiert Atrium, das zweimonatlich erscheinende „Magazin für Wohnkultur, Design und Architektur“, auf jeweils 130 Hochglanzseiten Lifestyle-Postmodernismus vom feinsten, dementsprechend werden Outfit und Ambiente mit einer überdimensionalen Bedeutung aufgeladen. Dem Leser und Betrachter drängt sich fast der Eindruck auf, es gehe dabei nicht darum, sich wohl zu fühlen oder in einer angenehmen Umgebung zu leben, sondern einzig um die Frage, ob und wie die Requisiten zur selbstdarstellerischen Inszenierung passen.

Daß das keineswegs ironisch gemeint ist, beweist in der aktuellen Ausgabe (November/Dezember 2013) im Heftteil „Reisen“ unter anderem der Beitrag „Schöner als Fliegen“, in dem „die Lounges führender Airlines“ die Redakteurin „abheben und abtauchen“ lassen. Von „kulinarischen Höhenflügen bis Tiefenentspannung“ wird hier alles geboten, was das Herz des Lebensästheten höher schlagen läßt. „Mit Massagen vor, zwischen oder nach Langstreckenflügen“ kann man es sich elegant gemütlich machen, und natürlich „konferiert es sich in Privatsphäre bietenden Separées aufs angenehmste“.

Trendig geht es weiter mit „den schönsten Inspirationen für stilvolles Wohnen und Einrichtungen“. Traumhafte Häuser, zauberhafte Gärten, spektakuläre Architektur und die neuesten avantgardistischen Entdeckungen aus der Designerwelt konkurrieren perfekt mit kreativen Konzepten, die nicht nur auf der Suche nach der Form, sondern nach der Idee sind. Ein „Licht-Spezial“ bietet mit Leuchtenneuheiten „immerwährende Lichterfeste“ für „besondere Momente auch im Alltag“, während der Landschaftsarchitekt William Krisel in Palm Springs mit einem Mix aus Klassikern und zeitgenössischer Kunst die 1950er-Jahre-Atmosphäre in die Jetztzeit geholt und Häuser als Gesamtkunstwerke gebaut hat. Damals für relativ wenig Geld zu erwerben, sind sie heute Liebhaberobjekte.

Kontakt: Atrium, Postfach 9161, 97091 Würzburg. Das Einzelheft kostet 7,80 Euro, das Jahresabo 45 Euro. www.atrium-net.de

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