© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Ernst Jüngers „Atlantische Fahrt“ und der Komintern-Freund
Wahlverwandte Antipoden
(wm)

Als Ergänzung zur Neuausgabe von Ernst Jüngers „Atlantischer Fahrt“ (1947), den Skizzen seiner Brasilienexkursion vom Herbst 1936, präsentieren die Germanisten Detlev Schöttker und Anja S. Hübner die Umrisse der Lebensgeschichte von Otto Storch, jenem rätselhaften Reisegefährten, den Jünger als „Mitglied kommunistischer Orden“ erwähnt (Sinn und Form, 5-2013). Für Storch war die Tropenfahrt auf der luxuriösen „Monte Rosa“ indes keine Lustpartie. Denn der „in allerlei dunkle Vorgänge verquickte“ Mitreisende, der erste revolutionäre Erfahrungen beim Kieler Matrosenaufstand im November 1918 sammelte, sich später als Pressefotograf im kommunistischen Medienimperium Willi Münzenbergs betätigte und 1933 wegen seines KPD-Aktivismus in längerer SA-„Schutzhaft“ kam, sollte in Brasilien im Auftrag der Kommunistischen Internationale (Komintern) konspirieren. Obwohl weltanschaulich Antipoden, freundeten sich der Nationalrevolutionär und der KPD-Agitator rasch an. Davon zeugen die beigefügten Briefe Storchs, der nach Scheitern seiner politischen Mission bis 1939 regelmäßig vom Überlebenskampf in Brasilien berichtet. Diese Schilderungen lassen auf Wahlverwandtschaft mit dem „Stahlgewitter“-Autor schließen, der glaubte, daß die inneren Reserven des Menschen jede Not mit „göttergleicher Überlegenheit“ überwinden können.

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