© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Wenn Kinder allein auf sich gestellt sind
Unterhaltsames Lehrstück über die Einhaltung von Regeln: Henry Winderfelds „Timpetill – Die Stadt ohne Eltern“ wiederaufgelegt
Leonhard Lauterstein

Endlich gibt es eine Wiederauflage des lange vergriffenen „Timpetill – Die Stadt ohne Eltern“ von Henry Winterfeld, der mit seinen Kinder-Krimis wie „Caius, der Lausbub aus dem alten Rom“ internationale Erfolge verzeichnete.

Im Städtchen Timpetill beschließt die durch die überhandnehmenden Streiche ihrer Sprößlinge zusehends genervte Elternschar, jenen eine Lektion zu erteilen: Sie zieht für einen Tag aus der Stadt fort und überläßt die Kinder ihrem Schicksal. Sollen sie doch einmal sehen, wie sie ohne Erwachsene zurechtkommen. So ist der Plan. Doch dann geht einiges schief, die Eltern bleiben statt einem, drei Tage weg. Doch die Selbstversorgung, ja, das Inganghalten eines ganzen Gemeinwesens, wenn man nicht verhungern und verdursten möchte, stellt sich dann doch als heikler und strapaziöser heraus als ursprünglich angenommen: Die von den Eltern zuvor listig abgestellten Elektrizitäts- und Wasserwerke müssen wieder in Betrieb genommen, Brot muß gebacken, Essen gekocht, die kleineren Kinder betreut und abends zu Bett gebracht werden, und schließlich sind da noch die „Piraten“ – eine besonders üble und auf Anarchie sinnende Truppe chaoswütiger Halbwüchsiger, die außer dem Lustprinzip keine anderen Gebote als Handlungsmaxime anerkennen und deren sich die vernünftigen Kinder Timpetills unter der Führung eines besonders pfiffigen Jungen auch noch erwehren müssen.

Keine Frage – das Familienleben ist hier noch in Ordnung. In Zeiten von Gender-Mainstreaming und emanzipatorischer Pädagogik feiert hier eine „heile Welt“ fröhliche Urständ: alle Mädchen können kochen, und die Jungs beherrschen das Handwerk des Vaters, was bei der Einrichtung der „Kinderstadt“ nur von Vorteil ist. Letztlich bekommen bei diesem Lehrstück über die Bedeutung der Einhaltung von Regeln, von Werten wie Gerechtigkeit und Solidarität, alle ihr Fett weg: Eltern wie Kinder, die sich am Ende herzlich in die Arme fallen.

All das ist so voller Komik und erfrischender Lebensweisheit geschrieben, daß neben den 10- bis 14jährigen Lesern auch erwachsene Leser das spannende Buch kaum aus der Hand legen werden – auch wenn die Erstveröffentlichung 80 Jahre zurückliegt.

Aufschluß über die – übrigens politisch-korrekte – Motivation zur Wiederauflage erhält schließlich, wer das 16seitige Nachwort liest.

Henry Winterfeld: Timpetill – Die Stadt ohne Eltern. Roman. Heyne Verlag, München 2013, broschiert, 288 Seiten, 8,99 Euro

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