© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Jeden Tag aufs neue!
Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten: Auszüge aus der Dankesrede der diesjährigen Preisträgerin Birgit Kelle
Birgit Kelle

In der Regel provoziere ich unter Kollegen der Medienlandschaft eher Empörung und Widerstand – unter den Kolleginnen auch mal Schnappatmung. Kürzlich wurde mir in einem Interview die Frage gestellt: „Frau Kelle, warum schwimmen Sie eigentlich immer gegen den Strom?“ – Tue ich das wirklich? Möglicherweise ging der Fragesteller irrtümlicherweise davon aus, daß der mediale Strom mit dem gesellschaftlichen identisch sei. Und möglicherweise ist genau dies das größte Problem, das wir in der Medienbranche heutzutage haben. Daß viele Journalisten davon ausgehen, daß das, was geschrieben wird, auch wirklich der Realität, der Meinung des Volkes, entspricht oder gar die Wahrheit sei.

Ich habe nicht das Gefühl, gegen den Strom zu schwimmen in dieser Gesellschaft, ganz im Gegenteil, ich spüre viele Gefährten neben mir im Wasser. Ich weiß nicht wie viele hundertmal ich inzwischen vor allem von anderen Frauen den Satz gehört habe: „Sie sprechen mir aus der Seele.“ Was mich anfangs noch gefreut hat, weil es natürlich ehrt, wenn die eigenen Leser ein Lob aussprechen, wurde später zur Wut. Zur Wut, weil ich verstand, daß niemand für diese Frauen spricht, die doch das gleiche Leben führen wie ich auch – als Mutter und Hausfrau.

Ich hatte mich immer für eine emanzipierte Frau gehalten, bis ich das erste Mal Mutter wurde. Man sagte mir eine große Klappe schon während der Schulzeit nach. Ich hatte mich nie mit der Frauenfrage oder gar dem Feminismus beschäftigt, gehörte ich doch zu der glücklichen Generation junger Frauen, die in dem Bewußtsein großgezogen wurden, daß sie alles erreichen können, was sie wollen. Übrigens ganz ohne Quote.

Doch dann wurde ich Mutter. Und da erst mußte ich dann von anderen Frauen lernen, daß mein Leben ein emanzipatorischer Supergau sei. Ich hütete Kinder, mein Mann verdiente mehr als ich, ich hatte die Karriere auf Eis gelegt, auch um am Herd zu stehen – und war dabei sogar noch glücklich. In den Augen der Feminismus-Industrie mit ihren unzähligen unkündbaren Frauenbeauftragten – die heute Gleichstellungsbeauftragte genannt werden sollen, aber in Wahrheit ausschließlich Frauenbeauftragte geblieben sind – und ihren Gender-Lehrstühlen bin ich ein hoffnungsloser Fall. Ein Relikt längst vergangener Zeiten.

Erst durch das Schreiben und die Reaktionen habe ich gemerkt: Du bist nicht allein mit dieser Einstellung, da draußen sind viele, sehr viele, die genauso denken wie ich.

Wer spricht für sie? Es sind viele, für die niemand mehr Politik macht, für die niemand mehr das Wort ergreift, die man in unserem Land als „Heimchen am Herd“ beleidigen darf. Das ist der wahre Sexismus unserer Zeit, wenn wir das Thema wirklich diskutieren wollen. Zu viele, die von den Damen Feministinnen, der Politik, der Wirtschaft und weiten Teilen der Medienlandschaft längst abgeschrieben waren. Abgeschrieben, obwohl sie eine Mehrheit in diesem Land darstellen.

Das zu realisieren, war vermutlich der Punkt, an dem ich aufgehört habe, mich darum zu kümmern, was andere wohl von meiner Meinung halten, oder wie sie darauf reagieren.

Und Reaktionen gibt es wahrlich genug. Ich soll zurück ins Mittelalter gehen, wahlweise ins 15., 16. oder 17. Jahrhundert oder am besten gleich zurück nach Rumänien, zurück an den Herd oder die Küche. Ich hätte Prügel verdient, man solle mir das Maul stopfen, ich sei eine Nazi-Tussi – ja, von der Fraktion der Toleranten gibt es immer Reaktionen, wenn jemand eine Meinung äußert, die nicht der Political Correctness entspricht. Nirgendwo, wirklich nirgendwo habe ich mehr Haß und Intoleranz zu spüren bekommen als von denjenigen, die ständig laut nach mehr Toleranz schreien oder gar mich zur Toleranz auffordern.

Sie alle wissen, daß mir vor allem die Frauen- und Familienpolitik am Herzen liegt. Jeder Journalist hat so sein Thema, das ihn antreibt. Man sagt, ich kämpfe für ein konservatives Familienbild, für traditionelle Werte, für ein überholtes Familienbild. Ein Auslaufmodell.

Wie kann denn die Mehrheit in unserem Land ein Auslaufmodell sein?

80 Prozent aller Kinder in Deutschland leben bei ihren verheirateten Eltern. Das ist die Realität, meine Damen und Herren. Und deswegen werde ich es mir auch weiterhin nicht nehmen lassen, die normale Familie in Deutschland als Vater und Mutter mit Kindern zu definieren.

Und es geht hier nicht nur um die Frauenfrage, nicht nur um den Feminismus. Die Frage, wie wir die Rolle der Frau sehen, der Frau, die als einzige in der Lage ist, den Fortbestand der Generationen zu sichern, das ist nicht nur eine Frauenfrage, oder wie Altkanzler Gerhard Schröder es nannte, das Ressort „Frauen und Gedöns“. Dies Gedöns bestimmt die Zukunft unseres Landes.

Denn aus der Frauenfrage entscheidet sich die Familienfrage. Und aus der Familienfrage entscheidet sich die Gesellschaftsfrage. Die Familie ist die kleinste Keimzelle der Gesellschaft. Ohne sie kein Staat, kein gar nichts. Wir sind dabei in unserer Gesellschaft immer mehr von der Familie an staatliche Institutionen zu delegieren.

Wir werden nicht regiert, wir werden betreut – und zwar vom Kreissaal bis zur Bahre. Der Staat erstickt uns mit seiner Fürsorglichkeit und behandelt uns gleichzeitig wie unmündige Kinder. Männer und Frauen werden auf den Arbeitsmarkt gedrängt, während der Staat die vielzitierte „Lufthoheit über den Kinderbetten“ an sich reißt. Und das natürlich nur zu unserem Besten. Wir schlittern in eine Gesellschaft, die sich im Kollektiv auflöst, in der der einzelne nichts mehr zählt. Die SPD warb im vergangenen Wahlkampf mit dem Slogan: „Das Wir entscheidet“ – Meine Damen und Herren, das ist keine Verheißung, das ist eine Drohung.

Unser Grundgesetz schützt den einzelnen und das aus gutem Grund. Es schützt Sie und mich und unsere Kinder und zwar jeden einzeln. Weil wir nicht nur als Teil einer Gruppe wertvoll sind, sondern jeder einzelne Mensch, von Anfang an, ohne Gegenleistung, ohne Bringschuld. Und deswegen ist die Verteidigung der Familie gegen den Staat keine Frage von konservativen Werten, sondern eine Frage der Freiheit. Es ist zutiefst liberal, dafür zu kämpfen, daß jede Frau, jeder Mann und jede Familie ihren eigenen Weg finden darf. Das ist Wahlfreiheit. Und nicht das Auflösen von Strukturen, um uns dann in neue Rollen zu drängen. Wir können selbst entscheiden, was das Beste für uns ist, wir brauchen nicht ständig die Politik und einen Nanny-Staat, der uns erklärt, wie wir zu besseren Menschen werden, was wir noch denken oder gar sagen dürfen. Oder wie die Bionade-Fraktion der Grünen, die uns jetzt auch noch erklären will, was wir noch wann essen dürfen.

Diesen Bevormundungstendenzen müssen wir entschieden entgegentreten! Wir leben in einer freiheitlichen Demokratie. Das müssen wir verteidigen. Und zu Beginn steht, daß wir auf unser Recht auf freie Meinungsäußerung pochen müssen. Lassen Sie uns die Schweigespiralen durchbrechen.

Wir dürfen nicht zulassen, daß unser Land bald nur noch von lauten Minderheiten regiert wird, die alle niederbrüllen, die aus dem politisch korrekten Weg ausbrechen. So eine Demokratie ist anstrengend. Wir müssen jeden Tag aufs neue um Mehrheiten werben, um Meinung kämpfen. Aber Toleranz bedeutet nicht, daß ich vor lauter Entgegenkommen meine Meinung aufgebe. Toleranz anderen Meinungen gegenüber bedeutet in erster Linie, daß man erst einmal einen eigenen Standpunkt hat und diesen auch verteidigt.

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