© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Politiker auf Postensuche
Thorsten Brückner

Die Große Koalition steht in den Startlöchern, an der Kabinettsliste wird eifrig gebastelt, die Ministersessel neu verteilt. Für die scheidenden Kabinettsmitglieder wird es Zeit, sich beruflich neu zu orientieren.

Während Familienministerin Kristina Schröder (CDU) freiwillig aus dem Amt scheidet, um mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen zu können und sich Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) in Bayern als Superministerin und Nachfolgerin Horst Seehofers in Stellung bringt, fallen andere weniger weich. Die fünf scheidenden FDP-Minister sind noch auf Postensuche. Die üblichen Abstellgleise für ehemalige FDP-Würdenträger sind versperrt. Weder können sie am Tropf der Bundestagsfraktion versorgt werden, noch kann man sie einfach bei der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung parken. Diese hat mit Finanzierungssorgen nach dem Wahldebakel schon genug eigene Probleme.

In der Pole-Position bei der Postensuche befindet sich Justitzministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie soll nach dem Willen der scheidenden Bundesregierung im Juni 2014 Generalsekretärin des Europarats werden und gegen den derzeitigen Chef des Gremiums, den Norweger Thorbjørn Jagland, in die Kampfabstimung ziehen. Der Europarat, der nicht zu verwechseln ist mit dem Europäischen Rat, einer EU-Intitution der Staats-und Regierungschefs, ist ein Gremium, das sich selbst die Wahrung der Menschenrechte auf die Fahne geschrieben hat. In der Vergangenheit fiel er vor allem durch innovative Vorschläge zur Gendergerechtigkeit auf: Statt sexistische Begriffe wie Vater und Mutter zu benutzen, solle man doch lieber von Elter 1 und Elter 2 sprechen, so die Anregung des politisch bedeutungslosen Gremiums. Nominiert wurde Leutheusser-Schnarrenberger für das Amt von Noch-Außenminister und Parteifreund Guido Westerwelle. Ein Schelm, dem da das Sprichwort „Eine Hand wäscht die andere“ in den Sinn kommt.

Westerwelle will nach Ausscheiden aus dem Amt bei einem Urlaub auf Mallorca über seine berufliche Zukunft nachdenken. Ex-Vizekanzler Rösler scheinen bei der Arbeitssuche die Türen offenzustehen. Als 30jähriger hatte er einst angekündigt, spätestens mit 45 aus der aktiven Politik ausscheiden zu wollen, da die Politik den Menschen zu stark verändere. Vor einer weiteren Veränderung zum Negativen hat der Wähler den mittlerweile 40jährigen glücklicherweise bewahrt. Als Förderer kleiner Start-ups -Unternehmen, die ihm als Wirtschaftsminister besonders am Herzen lagen, sollte der ehemalige Bundeswehrarzt über ausreichend Kontakte verfügen, um in der freien Wirtschaft Fuß zu fassen.

Die Zukunft der anderen beiden unfreiwillig ausscheidenden Minister Daniel Bahr und Dirk Niebel steht noch in den Sternen. Letzerer sollte als gelernter Job-Vermittler zumindest über die Kompetenz verfügen, sich irgendwo selbst unterzubringen. Eines steht fest: Keiner der scheidenden Minister wird Hartz IV beantragen müssen. Zwei Jahre lang erhalten ehemalige Minister ein Übergangsgeld von 62.000 Euro pro Jahr.

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