© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

„Haut ab, haut ab“
Thailand: Seit Wochen probt die Opposition den Aufstand gegen die Rothemden-Regierung
Walter Fischer

Ork bei, ork bei, ork bei!“ „Haut ab, haut ab“, skandieren die Massen in Bangkok. Seit Wochen demonstrieren Hunderttausende gegen die von den Rothemden gestützte Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra.

Alles begann in den frühen Morgenstunden des 1. November. Als die meisten Menschen in Thailand noch schliefen, winkten 310 von 500 Unterhaus-Abgeordneten ein Amnestiegesetz durch. Angesichts der Brisanz des Themas hatte die oppositionelle Demokratische Partei zuvor geschlossen den Sitzungssaal verlassen.

Im Kern bezog sich die Amnestie auf eine Straffreiheit für alle, die zwischen 2004 und 2013 Straftaten begangen und in Korruptionsfälle verwickelt waren. Deren Ziel, so die Opposition, diene jedoch in erster Linie der Reinwaschung korrupter Politiker, wie dem ehemaligen Polizeioffizier und Premierminister (2001 bis 2006) Thaksin Shinawatra. Die Anklageliste Thaksins ist lang: Amtsmißbrauch, Bestechung, Steuerhinterziehung, Anstiftung zum Mord, Landes- und Hochverrat. Rechtskräftg zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde Thaksin wegen illegalen Verkaufs eines öffentlichen Grundstückes an seine Frau – zu einem Drittel des Marktpreises. Der Verurteilte, der heute Staatsbürger von Montenegro ist, konnte sich aber vor Haftantritt nach Dubai absetzen und lebt seitdem an wechselnden Orten.

Das Problem: Die Opposition sieht Regierungschefin Yingluck Shinawatra als Marionette ihres knapp 20 Jahre älteren Bruders Thaksin, deren Ziel es sei, dessen Rückkehr nach Thailand vorzubereiten.

Schon als das Amnestiegesetz Ende Oktober im Parlament behandelt wurde, hatte sich die Protestbewegung unter der Leitung des Generalsekretärs der Demokratischen Partei Thailands, Suthep Thaugsuban, am Samsen-Bahnhof formiert. Wenige Tage darauf zog von dort ein eher kleiner Demonstrationszug zum Radchadamnoen-Boulevard, wo man am Demokratiedenkmal eine große Bühne errichtet hatte. Da der Ort des Protestes geheimgehalten werden konnte, gelang es der Polzei nicht, das Areal rechtzeitig abzusperren. In der Folgezeit stieg die Teilnehmerzahl an den Kundgebungen und Demonstrationen stetig an. Am 11. November wurde die Million im ganzen Land, sowie 250.000 auf dem Radchadamnoen-Boulevard allein erreicht.

Der Druck der Massenproteste bewirkte, daß der Senat (Oberhaus) das Amnestiegesetz erst einmal auf Eis legte. Dies hindert das Unterhaus jedoch nicht, das Gesetz 180 Tage später erneut zu verabschieden. Ebenso verkündete an diesem Tag der Internationale Gerichtshof in Den Haag das Urteil über den von Kambodscha ausgelösten Streit über die thailändisch-kambodschanische Grenze in der Umgebung des Phra-Viharn-Tempels. Wichtig ist in dem Zusammenhang zu wissen, daß Thaksin seit November 2009 persönlicher Berater Hun Sens, des kambodschanischen Premierministers ist.

Der Unmut der Opposition wuchs. Thaugsuban und weitere acht Abgeordnete legten parallel dazu ihre politischen Mandate nieder, verkündeten, „nun ganz auf der Seite des Volkes“ zu stehen,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,, und schürten so die Erwartungen. Doch statt den „Sturm auf das Regierungsgebäude“ auszurufen, kündigten die Oppositionsführer Maßnahmen des gewaltlosen Widerstandes an: Flagge zeigen, sich selbst, Haus und Auto mit den Nationalfarben schmücken, verzögertes Steuerzahlen, eine Trillerpfeife tragen, um korrupte Politiker auszupfeifen, kein Lehren und Lernen an Schulen und Universitäten, und ein verlängertes Wochenende bis zum Sonntag. Thaugsuban ermahnte die Hunderttausenden im Geiste von Mahatma Gandi zu protestieren.

Yingluck Shinawatra hatte darum gebeten, die Proteste zu beenden. Man habe alle sechs Gesetzesentwürfe, die sich mit Amnestie beschäftigen, aus dem parlamentarischen Verfahren herausgenommen. Die Appelle der Ministerpräsidentin stießen auf taube Ohren. Die Teilnehmerzahl an den Protestzügen stieg und erreichte am vergangenen Wochenende, laut Oppositionsangaben, die Millionengrenze.

Im Kampf gegen den „korrupten Thaksinismus“ besetzten Demonstranten, ausgerüstet mit Flaggen, Trillerpfeifen unter den Rufen „Ork bei, ork bei“ das Finanzministerium und belagerten unter anderem das Innenministerium, das Außenministerium sowie das Ministerium für Landwirtschaft, Tourismus und Transport. Mitten unter ihnen, Oppositionschef Thaugsuban. Er und seine Mitstreiter hoffen, bis spätestens zum 5. Dezember den Sturz der Regierung zu erreichen. Denn da feiert König Bhumibol Adulyadej seinen 85. Geburtstag.

Foto: Hunderttausende treffen sich seit Wochen auf dem Radchadamnoen in Bangkok: Demokratiedenkmal als Sinnbild des Widerstandes

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