© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

„Es geht ums Geldverdienen“
Debatte um Abschaffung der Prostitution: Der Schriftsteller Clemens Meyer will Huren zuhören und fordert Respekt ein
Thorsten Thaler

Der Schriftsteller Clemens Meyer ist nach eigenen Angaben „erschüttert“ von der Idee, Prostitution verbieten zu lassen. Eine entsprechende Initiative geht auf die Altfeministin Alice Schwarzer und deren Zeitschrift Emma („Wir fordern: Prostitution abschaffen!“) zurück (JF 48/13). Sie initiierte einen von 90 Prominenten unterstützten „Appell gegen Prostitution“, in dem von Frauenhandel, Ausbeutung, sexueller Gewalt, Armuts- und Zwangsprostitution sowie moderner Sklaverei die Rede ist.

Clemens Meyer, der für seinen im Spätsommer dieses Jahres erschienenen Roman „Im Stein“ (JF 42/13) jahrelang im Rotlichtmilieu recherchierte, zeichnet ein differenzierteres Bild. „Das alte Klischee, daß hinter jeder Sexarbeiterin ein Zuhälter steht, ist nach wie vor präsent. Aber es entspricht in großen Teilen des sogenannten Rotlichts, der Sexarbeit, einfach nicht mehr der Arbeitsrealität“, schreibt der 36jährige in einem Beitrag für Die Literarische Welt (23. November). „Wie schnell ist man mit dem Wort ‘Zuhälter’ bei der Hand. Verunglimpft so Nachtklubbetreiber, Vermieter, Bordellbesitzer und nicht zuletzt auch die Frauen, die selbstbestimmt in Klubs, Wohnungen, Bordellen arbeiten.“

Meyer bestreitet in seinem Text nicht, daß es Prostituierte gibt, die mit Zwang „in die Sexarbeit gebracht“ werden. Das sei ein Verbrechen, und jede Maßnahme, das zu unterbinden, sei richtig. Andererseits fragt der Leipziger Autor, ob wir nicht wahrhaben wollten, „daß es auch, man muß das ja nicht gutheißen, um Geldverdienen geht“. Und weiter: „Wer sind wir, daß wir stigmatisieren, Opferrollen verteilen, Lösungen verlangen von Menschen, die vielleicht ihre eigenen Ideen haben, egal, ob wir das gutheißen oder verstehen?“ Clemens Meyer fordert dazu auf, Prostituierten zuzuhören und Respekt aufzubringen.

Clemens Meyer stellt vom 1. bis 5. Dezember sein Buch „Im Stein“ (S. Fischer) auf einer Lesereise in Oldenburg, Bremen, Lübeck, Rostock, Lüneburg und Hannover vor.

www.meyer-clemens.de

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