© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Wo ist die verschollene Milliarde?
ARD: Die Transparenzoffensive der Öffentlich-Rechtlichen war bislang ein einziger Rohrkrepierer
Bernd Rademacher

Im Oktober überraschte die ARD die Zwangszahler der „Demokratieabgabe“ mit der Veröffentlichtung einiger Geschäftszahlen. So war die Meldung zu lesen, daß eine Minute „Tatort“-Produktion rund 15.000 Euro kostet. Um dieses Geschäftsgeheimnis wurde lange gerungen.

Immer wieder hatten Kritiker des GEZ-Systems die Offenlegung solcher Details gefordert, um wenigstens ein bißchen nachvollziehen zu könen, was aus den sieben bis acht Beitragsmilliarden wird. Der Branchendienst Horizont jubelte nach Bekanntgabe der Daten über diesen „ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz“.

In der monatlichen Zwangsabgabe des einzelnen Zuschauers macht der Posten „Tatort“ nur 15 Cent aus. Für die Verwaltung drückt jeder Haushalt weitere 48 Cent ab. Das sagt jedenfalls die von der ARD veröffentlichte Kostenaufstellung.

Diese läßt jedoch etliche Fragen offen. Zum Beispiel, die nach den 48 Cent Verwaltungsgebührenanteil. Zusammengerechnet kämen dabei gerade mal 200 Millionen Euro heraus, weniger als der Verwaltungsetat von nur zwei Landesrundfunkanstalten. Wie kann das sein? Ungereimtheiten gibt es auch beim Sport: Die ARD-Statistik weist rund 300 Millionen Euro für „Das Erste“ und 62 Millionen Euro für die dritten Programme aus. Laut Berechnung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat die ARD 2010 aber 450 Millionen Euro für Sportsendungen ausgegeben und die dritten Programme zusammen stattliche 100 Millionen Euro. Was ist mit der Differenz?

Die Transparenzoffensive der Öffentlich-Rechtlichen sorgt für mehr Verwirrung als Klarheit. Die Aufstellung auf der Internetseite der ARD ist dürftig und teilweise nur als niedrig aufgelöste Grafik dargestellt, anhand derer keine Trends und Verläufe ablesbar sind. Wäre ja interessant zu erfahren, welche Kosten steigen, welche stagnieren. Vergleichsstatistiken der Vorjahre fehlen.

Beim Posten Personal gibt die ARD nur die Festangestellten an. Doch die Programme werden zum nicht unerheblichen Teil von freien Mitarbeitern gemacht. Diese mit eingerechnet käme die Anstalt nicht auf 22.800, sondern mindestens 40.000 Beschäftigte.

Wo die ARD bei den Kosten vieles in Nebel hüllt, haut sie an anderer Stelle ordentlich auf die Pauke. Es wird behauptet: „Das Erste berichtet im Jahr über rund 50 verschiedene Sportarten.“ Eine Studie der Fachzeitschrift für Medienforschung Media Perspektiven von 2013 kommt zu einem anderen Ergebnis: 21 (2009) bis 42 (2004) Sportarten. Dieser Statistik ist übrigens auch zu entnehmen, daß die Anzahl der Sportübertragungen auf Kosten der Zahl von Reportagen und Dokumentationen zugenommen hat.

Den höchsten Einzelwert der Haushaltsabgabe, nämlich 1,51 Euro, zahlt der Zuschauer für die Themenbereiche „Politik und Gesellschaft“. Und für jeden einzelnen Cent davon bekommt er rot-grüne „Volksaufklärung und Propaganda“ im Gegenwert. Unterm Strich weist die ARD-Finanzstatistik Gesamtausgaben von 5,3 Milliarden Euro aus. Doch die Gebühreneinnahmen wurden auf 6,3 Milliarden beziffert. Wo ist die fehlende Milliarde geblieben?

Möglicherweise hat die KEF ein paar Geldschränke übersehen. Nach Berichten des Spiegel seien bei der ARD „stille Reserven“ von bis zu 300 Millionen Euro aufgespürt worden. Der KEF-Chef wollte den Bericht aber noch nicht bestätigen. Die Anstalt hatte dagegen ein Finanzloch von 200 Millionen errechnet.

Alles wirkt, als sei es mit heißer Nadel gestrickt

Unstrittig ist aber, daß die Zwangsabgabe mehr Geld in die öffentlich-rechtlichen Kassen spült, als veranschlagt. In den nächsten vier Jahren können sich die Anstalten laut KEF auf Mehreinnahmen von 500 Millionen freuen. Bezahlen müssen diese vor allem Unternehmen mit vielen Betriebsstätten wie die Drogerieketten DM oder Rossmann.

Sollte die Prognose zutreffen, könnten die Sender nicht nur ihr angebliches Defizit ausgleichen, sondern auch die monatliche Zwangsgebühr um 20 bis 30 Cent senken, hofft der Spiegel. Das ist wohl reichlich naiv. Bevor die „Demokratieabgabe“ gesenkt wird, bekommt WDR-Intendant Tom Buhrow zu seinen 367.232 Euro Jahresgehalt eher noch einen Bonus. Oder es wird noch mehr Geld für Unterhaltungs-Saurier wie „Wetten dass...?“ verbrannt. Aber solche Einzelheiten wird das Publikum kaum erfahren, denn das ZDF war an der ARD-Transparenzoffensive nicht beteiligt.

Aus der Mainzer Senderzentrale sickern noch weniger Details durch. Soviel ist klar. Auch das ZDF rechnet mit Mehreinnahmen dank GEZ-Reform. Während bis vor kurzem offiziell ein Personalabbau in dreistelliger Höhe wegen drohender Sparmaßnahmen eingeplant wurde, expandiert der Sender jetzt wieder. Denn: Den Rundfunkanstalten winkt insgesamt ein jährliches Plus von 100 Millionen Euro, davon entfallen  25 Millionen auf das ZDF, die der Sender auch bereits in seinem Haushalt eingeplant hat.

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