© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Der Vorsitzende und seine Topspionin
Bundestag: Statt sich auf die Rolle als stärkste Oppositionspartei vorzubereiten, leistet sich die Linkspartei eine Diskussion über die Stasi-Vergangenheit
Paul Leonhard

Als Führer der stärksten Oppositionspartei will Gregor Gysi „der Regierung die Hölle heiß“ machen, wenn es nötig ist. Und deswegen benötigt der Linksfraktionschef vor allem mehr Redezeit. Notfalls werde er für dieses Recht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, tönt er wortgewaltig.

Auch ansonsten keine Spur von Wandel in der Fraktion. Die ehemaligen Einheitssozialisten bleiben sich treu. Eine frühere Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR bleibt vereinbar mit höchsten Funktionen in der Partei. Das beweist der Fall Ruth Kampa. Die ehemalige Topagentin, überwiegend außerhalb der Grenzen der DDR im Einsatz, war bisher Geschäftsführerin der Fraktion. Am vergangenen Donnerstag wurde sie vom Fraktionsvorstand – „einstimmig und ohne Diskussion“ – zur neuen Justitiarin bestimmt, auf Empfehlung von Gysi.

Ein Vorgang, an dem gleich mehreres irritiert. Da ist das lange Schweigen der anderen Parteien. Obwohl die Welt den Fall Kampa bereits Anfang Oktober offenlegte, gab es zwei Monate keinerlei Reaktionen. Erst in dieser Woche griff mit Marco Wanderwitz, dem Vorsitzenden der Jungen Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wenigstens ein Politiker die Personalie auf. Diese bestätige, daß „jede Partei gut daran tut, jede Zusammenarbeit mit der Linken auszuschließen“, sagte er der Berliner Zeitung. Die Lippenbekenntnisse der Linken zum Thema Aufarbeitung dürften nicht ernst genommen werden.

Merkwürdig ist auch, daß sich Gregor Gysi, als dessen enge Vertraute und rechte Hand Kampa seit zwei Jahrzehnten gilt, von deren Spitzeltätigkeit nichts gewußt haben will. Dabei mußte die promovierte Juristin, die bis Dezember 1989 im Dienst des Ministeriums von Erich Mielke stand, Anfang der neunziger Jahre die Universität wegen ihrer Stasiverstrickung verlassen. Zumindest zeigte sich Gysi sichtlich überrascht, als die Welt eine von der Hauptabteilung Spionageabwehr angelegte 70 Seiten starke Akte und die IM-Laufbahnen von „Sonja Richter“ und später „Ruth Reimann“ der Öffentlichkeit präsentierte.

Kampa, 62 Jahre alt, war geradezu eine Musterspionin, als Schülerin angeworben, zielgerichtet geschult und aufgebaut. Und da sie die meiste Zeit für die Hauptabteilung Aufklärung von Markus Wolf tätig war, rechnete sie wohl damit, daß auch ihre Akte rechtzeitig vernichtet werden konnte. Die Aufdeckung der Vergangenheit von Ruth Kampa kam für die Linken ungelegen. Die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht ließ sich im Welt-Interview sogar dazu hinreißen, daß sie eine Offenlegung der Biographien von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen für denkbar halte, um „Wiederholungen zu vermeiden“. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn widersprach rasch: Es werde keine Regelüberprüfung der Mitarbeiter geben: „Was wir seit Jahren im Bereich des Öffentlichen Dienstes kritisieren, gilt selbstverständlich auch für uns.“

Daß der Fraktionsvorstand um Gregor Gysi hartnäckig an Kampa festhält, dürfte vor allem mit ihrer Schlüsselstellung innerhalb der Linken und deren Firmengeflechten zu tun haben. Mehrfach schon wurde versucht, hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen: „Der Name Kampa steht – ebenso wie übrigens Gysi selbst – für ein besonders unappetitliches Kapitel der Parteigeschichte: den Umgang mit dem SED-Milliardenvermögen nach der friedlichen Revolution in der DDR“, so die Zeitung. Kampa sei so etwas wie eine „Strohfrau der SED-Erben“.

So ist Kampa ehrenamtliche Vorsitzende des „Vereins der Freunde des Neuen Deutschlands“, des einstigen Zentralorgans der SED. Sie ist über ihren Anteil an der Föderativen Verlags, Consulting- und Handelsgesellschaft mbH“ (Fevac) auch Miteigentümerin der „MediaService GmbH Druck und Kommunikation“ sowie der „NDZ Neue Zeitungsverwaltung GmbH“. Bei letzterer erscheint beispielsweise die monatliche Mitgliederzeitschrift Disput. Die einst im Tarnen und Täuschen ausgebildete Kampa zieht bis heute überall kräftig die Strippen.

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