© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gabriels Liste
Marcus Schmidt

Sie ist das derzeit bestgehütete Geheimnis in der Hauptstadt. Die Liste mit den Namen der künftigen Kabinettsmitglieder. Die Verantwortlichen halten diese Informationen für so brisant, daß sie die Existenz der Liste sogar in Abrede stellen. Zwar sei, beteuert etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel, zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und ihm während der Koalitionsverhandlungen durchaus über die Ressortverteilung gesprochen worden. „Aber wir haben keinerlei Personal beredet“, sagte er dem ZDF. In Berlin glaubt das natürlich niemand.

Gabriels Mauern in der Personalfrage hat einen ganz konkreten Grund: Er fürchtet um die Mehrheit für die Große Koalition beim SPD-Mitgliedervotum, wenn die Genossen spitzkriegen, daß ihre Partei demnächst zusammen mit einem Minister Alexander Dobrindt regiert, dem in der SPD verhaßten CSU-Generalsekretär. Daher setzt der SPD-Chef alles daran, die Namen der künftigen Minister, unter denen sich mit ziemlicher Sicherheit auch der Dobrindts befindet, bis zum Ende des Mitgliedervotums am 12. Dezember geheimzuhalten. Trotzdem ist bereits einiges an die Öffentlichkeit gedrungen. Und um davon abzulenken, werden eifrig Nebelkerzen geworfen.

In diese Kategorie dürfte etwa die Anfang der Woche wieder aufgeflammte Diskussion über das Finanzministerium gehören. Am Montag behauptete Gabriel im ZDF, es sei nach wie vor offen, welche Partei künftig den Finanzminister stellen werde. „Ob wir (...) es nehmen, und wenn wir es nehmen, mit wem, entscheiden wir, wenn die Angelegenheit in der SPD entschieden ist“. Doch in Berlin gilt längst als ausgemacht, daß Wolfgang Schäuble (CDU) auch in der Großen Koalition das Geld verwalten wird. Dafür spricht auch, daß sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem Vernehmen nach bereits auf seine Rückkehr ins Auswärtige Amt eingestellt hat. Es gehört zu den ungeschriebenen Regeln der bundesdeutschen Koalitionsarithmetik, daß Finanz- und Außenministerium nicht von derselben Partei besetzt werden.

Und Gabriel? Er wird derzeit als „Superminister“ hoch gehandelt. Demnach könnte er das um die Energieabteilung des Umweltministeriums erweiterte Wirtschaftsressort übernehmen. Er wäre damit für die Energiewende alleine verantwortlich. Diesem Jahrhundertprojekt wird nicht nur von den Sozialdemokraten eine entscheidende Bedeutung für die Große Koalition zugeschrieben. Doch wäre dies für Gabriel nicht ohne Risiken. Deshalb wird auch noch eine andere Möglichkeit diskutiert: Gabriel könnte darauf verzichten, am Kabinetts-tisch Platz zu nehmen und stattdessen die SPD-Fraktion führen. Vizekanzler würde dann wie bereits zwischen 2005 und 2009 Außenminister Steinmeier.

Diese Lösung hätte aus Sicht des SPD-Chefs ihren ganz besonderen Charme. Während sich Merkel in der täglichen Regierungsarbeit aufreibt, könnte er in aller Ruhe das von vielen in seiner Partei herbeigesehnte rot-rot-grüne Bündnis vorbereiten. Nur für den Fall der Fälle, versteht sich.

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