© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Globalisiertes Verbrechen
Für die italienische Mafia ist der wachsende Biosektor ein lukratives „Geschäftsfeld“
Bertram Schaller

Werden die EU und die Mafia in einem Atemzug genannt, ist in der Regel von Subventionsbetrug die Rede. Im Zusammenhang mit der neuen „nachhaltigen“ Brüsseler Agrarpolitik und mit der sich ausweitenden Bioproduktion tauchen die „ehrenwerten Gesellschaften“ Italiens eher selten auf. Und doch hat die organisierte Kriminalität den Ökolandbau als lukratives „Geschäftsfeld“ längst entdeckt, wie Petra Reski in ihrer impressionistischen Übersicht über die Machenschaften der „Bio-Mafia“ zeigt (Natur 12/13).

Die Journalistin wertet dabei im Wesentlichen einen Bericht der italienischen Umweltliga (Legambiente) aus, der 2012 dokumentierte, wie fest die sizilianische Cosa Nostra, die kampanische Camorra oder die kalabrische ‘Ndrangheta die Landwirtschaft und die Lebensmittelbranche im Griff haben. In Mittel- und Süditalien seien die Verbrecherclans mit ihrer Expansion in den Agrarsektor eigentlich zu ihren Ursprüngen zurückkehrt, denn vor Jahrhunderten erschlossen sie ihre ersten Geldquellen mit Vieh- und Erntediebstählen, mit Geldverleih gegen Wucherzinsen und großflächiger Erpressung der Bauern. Obwohl inzwischen „globalisiert“, beherrschen sie heute weiterhin ihre Herkunftsterritorien und beuten sie mit neuen Methoden aus.

Italien ist mit 500 DOC-Qualitätsweinen aus kontrollierten Anbaugebieten, 200 Agrarprodukten mit DOP-Siegel sowie einer breiten Palette von zertifizierten Leckerbissen, die wie Büffelmozzarella als „garantiert traditionelle Spezialität“ ausgewiesen sind, der größte EU-Hersteller von Lebensmitteln mit Gütesiegeln. Das lädt zu Fälschungen der Siegel und zur Manipulation von Lebensmittelkontrollen geradezu ein. In welchen Dimensionen dies geschieht, offenbarte Ende 2011 eine Polizeiaktion gegen eine nur siebenköpfige Fälscherbande, die „Bio“-Produkte im Wert von 220 Millionen in den Markt schleusen konnte. Amtliche Kontrolleure und 40 Firmen in ganz Italien halfen, die Waren bis nach Deutschland und Frankreich abzusetzen, unter denen sich beispielsweise „Bio“-Hartweizenmehl aus Moldawien befand, das voller Pestizide steckte.

Allein der vor der Verarbeitung von Pferdefleisch und Anabolika-Mast nicht zurückschreckende Fleischsektor, in den zahlreiche Züchter, Tierärzte und Kontrolleure eingespannt sind, erbrachte den Mafiosi 2011 einen Gewinn von drei Milliarden Euro. Angesichts ihrer Gesamteinnahmen von jährlich etwa 20 Milliarden Euro (2012), einem Zehntel des italienischen Bruttosozialprodukts, ist das „Engagement“ auf dem Agrarsektor daher eine tragende Säule ihres „Konzerns“. Nach Reskis Einschätzung, die sich auf italienische Ermittlungen stützt, beherrscht die Ökomafia nicht nur die Erzeugerregionen, sondern auch den gesamten Obst- und Gemüsehandel Italiens, die Speditionen ebenso wie die Sägewerke, die die Obstkisten herstellen. Der kalabrische Clan der Morabito habe den Gemüsemarkt von Mailand in der Hand, wo eine Million Tonnen Obst und Gemüse pro Jahr gehandelt wird. Dort besteche der Clan nach Herzenslust die Kontrolleure und bestimme „den Preis jeder einzelnen Erdbeere“. In welchem Umfang die vom Öko-Markt profitierende Mafia zugleich der größte Umweltsünder Italiens ist, deren Giftmüllgeschäfte etwa Kampanien in eine stark verseuchte Region verwandelt haben, deutet die bereits mit zwei Büchern über das Verbrechensimperium hervorgetretene Petra Reski in ihrem Essay leider nur an.

Berichte der italienischen Umweltliga: www.legambiente.it/

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