© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Der Flaneur
Imbißkultur auf deutsch
Bernd Rademacher

Gehse inne Stadt / Wat macht dich da satt? / ’Ne Currywurst“ – Grönemeyer hatte schon recht, man kann sich einfach nicht ewig gesund ernähren, manchmal überfällt einen der Heißhunger auf einen Schnellimbiß. Dann muß es der unerreichte Klassiker sein: mit Pommes und Mayo. Diesmal ist es nicht der Bratwurststand vor dem Baumarkt, ich entscheide mich für die stationäre Grillstube, die neulich eröffnet hat. Hier ist es erfreulich sauber, aber unangenehm grell ausgeleuchtet, fast wie beim Zahnarzt.

„Pommes, was drauf?“ – „Hier essen oder mitnehmen?“ Der typische Pommesbuden-Jargon. Der Betreiber ist ein dunkler Asiate, vielleicht Tamile. Er hat sein Personal im Griff. „Nicht lachen, schneller arbeiten!“ treibt er seine Mitarbeiter an. Mir fällt auf, daß sie untereinander ausschließlich deutsch reden und das sehr gut.

Die Kartoffelstäbchen versinken zischend im Fritierfett. Der unvermeidliche Fernseher in der Ecke zeigt Sketche von Mr. Bean. Unglaublich, was dieser Rowan Atkinson mit seinem Gesicht anstellen kann. „Schneid’ keine Grimassen, sonst bleibt dein Gesicht so stehen“, sagten unsere Eltern früher.

Endlich reicht mir der Chef meinen Teller rüber. Ich setze mich an die Theke vor dem Schaufenster. Die Currysoße ist feuriger als beim Wettbewerb. Pluspunkt. Fehlt eigentlich noch ein Pils, aber dafür ist es noch zu früh am Tag.

Neben mich setzen sich zwei Jugendliche, die auf ihr Essen warten. Sie blättern in einer Fernsehzeitung und diskutieren über das Programm des Tages. Der eine: „Ey, is’ die überhaupt aktu?“ Er schaut auf das Wochendatum auf der Titelseite. „Ey auf keinsten! Die is’ voll nich’ aktu!“ Dann sieht er seinen Kumpel an: „Boah, wenn einer hört, wie wir labern, ey.“ Dann lachen sie über sich selbst.

„Nicht lachen, schneller arbeiten“, denke ich an vorhin. „Hat es Ihnen geschmeckt?“ fragt der Patron. Danke, ausgezeichnet. „Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch.“ Von seinem Deutsch können die beiden Schüler noch was lernen.

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