© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/13 / 13. Dezember 2013

EU-Kommission verhängt Milliarden-Strafe im Libor-Skandal
Noch mal davongekommen
Markus Brandstetter

In Deutschland sind die Industrie- und Handelskammern seit 1956 gesetzlich verpflichtet, „für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken“. Und im großen und ganzen scheint die Selbstkontrolle zu funktionieren. In der globalisierten Finanzbranche setzen die ganz großen Spieler hingegen offenbar auf ganz eigene Regeln.

Ob Gold- oder Devisenkurse, Öl- oder Aluminiumkontrakte – die Berichte über illegale Absprachen oder Marktmanipulationen reißen nicht ab. Eineinhalb Jahre ist es her, daß die Financial Times die Machenschaften um die London Interbank Offered Rate (Libor) öffentlich machte. Das ist der Zinssatz, den Banken sich gegenseitig berechnen, wenn eine Bank sich von einer anderen kurzfristig Gelder leiht (JF 30/12).

Vorige Woche verkündete die EU-Kommission die Strafen: Sechs Schuldige – die Deutsche Bank, Société Générale and Royal Bank of Scotland aus Europa sowie die US-Banken JPMorgan Chase, Citigroup und RP Martin – müssen insgesamt 1,7 Milliarden Euro Strafe bezahlen. Die Schweizer UBS und die Londoner Bank Barclays gehen als „Hinweisgeber“ straffrei aus. Der Libor-Zins, an dem sich zahllose Finanzgeschäfte auf der ganzen Welt orientieren, wurde zwischen 1991 und 2012 gezielt manipuliert: Die Banken wollten sich Vorteile auf Kosten ihrer Kunden verschaffen.

Die Hauptstrafe trifft die Deutsche Bank, die 725 Millionen Euro blechen muß, weil sie nicht nur am Libor mitgedreht hat, sondern auch bei dessen Euro-Äquivalent, dem Euribor. Die Frankfurter Chefetage bestritt, daß das Institut die Manipulationen gezielt angeordnet hatte, sondern schob die Schuld auf einzelne Untergebene. Offiziell hieß es: „Die Strafe betrifft Verhaltensweisen von einzelnen Mitarbeitern in der Vergangenheit, die schwere Verstöße gegen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank darstellen.“

Gewiß, die Unregelmäßigkeiten können das Werk von übereifrigen Londoner Managern sein. Daß jedoch die ganze Bank von den Manipulationen profitierte, wird nirgendwo eingestanden. Die Deutsche Bank hat außerdem erklärt, daß die Strafe in den gewinnmindernden Rückstellungen für die Konzernbilanz des laufenden Jahres bereits enthalten sei. Das soll die Aktionäre beruhigen, nach der Devise: Regt euch nicht weiter auf, die schlechten Nachrichten kennt ihr nun ja schon. All diese hektische PR-Aktivität ändert nichts daran, daß die Strafe fällig ist und dieser Betrag den Aktionären entgeht, die sich in diesem Jahr ohnehin mit nur 2,1 Prozent Dividendenrendite begnügen mußten.

Und wie das bei Strafen so üblich ist, sind sie den einen zu hoch und den anderen zu niedrig. Im Falle des Libor-Skandals läßt sich sagen: Hier hat man sich aufs Mittelmaß verständigt. Die Strafen sind nicht existenzbedrohend, sie tun aber trotzdem den Anteilseignern ganz schön weh.

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