© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Ein bißchen Frieden in Hessen
Alternative für Deutschland: Nach monatelangen Auseinandersetzungen wählt die Partei einen neuen Landesvorstand
Marcus Schmidt

Herrscht jetzt tatsächlich Frieden in der hessischen Alternative für Deutschland (AfD)? Nach den öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen sind viele Mitglieder des skandalgebeutelten Landesverbandes nun vorsichtig optimistisch. Dafür gibt es gute Gründe: Seit dem Wochenende hat die AfD in Hessen wieder einen regulären Vorstand (JF 51/13).

Auf einem 13stündigen Parteitag am Sonnabend in Friedberg wählten die 500 Teilnehmer Volker Bartz, Gunther Nickel und Simon Roger zu den Sprechern des Landesverbandes. Die auf dem Chaos-Parteitag in Gießen im November zurückgetretenen bisherigen Sprecher Albrecht Glaser und Eberhard von dem Bussche unterlagen in der Stichwahl. Einzig Simon Roger konnte sich erneut als einer von drei gleichberechtigten Sprechern durchsetzen.

„Nur weil wir einen neuen Vorstand haben, sind die Konflikte nicht automatisch weg“, warnt der neue Landessprecher Bartz dennoch. „Der Frieden muß jetzt erst hergestellt werden“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Er erwarte, daß die beiden verfeindeten Lager des alten Vorstands die Arbeit der neuen Parteispitze zunächst kritisch beobachten werden. „Wir müssen uns erst das Vertrauen als neutraler Vorstand erarbeiten“, gibt er seine Strategie vor. Immerhin: „Beide Lager reden mit uns, das sind gute Voraussetzungen“, sagte Bartz, der mit knapp 66 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis seiner Vorstandskollegen erzielte. DDer 62 Jahre alte langjährige Manager in der Gesundheitsbranche rechnet mit einer Menge Arbeit, um die Partei endgültig zu befrieden. Hierfür werde er zunächst alle Kreisverbände besuchen, kündigte Bartz an, der sich vor fünf Jahren aus seinem Unternehmen zurückgezogen hat.

Doch er hat auch die Gesamtpartei im Blick. Die AfD dürfe sich nicht zu elitär ausdrücken, warnt er und nennt als Beispiel das von der Bundespartei propagierte Einwanderungskonzept nach kanadischem Vorbild, mit dem vor allem beruflich gut qualifizierte Ausländer angeworben werden sollen. „Fragen Sie mal die Leute auf der Straße, was das ist“, sagte er. Verständlicher wäre es, wenn die Partei mit der Forderung „Keine Einwanderung in die Sozialsysteme“ werben würde. „Wir müssen den AfD-Slogan ‘Mut zur Wahrheit’ um ‘Mut zur Klarheit’ ergänzen“, fordert er.

AfD-Sprecher Bernd Lucke, der vor dem Parteitag in einem Rundschreiben offensiv dafür geworben hatte, alternative Kandidaten in den Vorstand zu wählen, konnte sich nur kurz über die Entspannung in Hessen freuen. Am Sonntag berichtete der Spiegel, daß der Partei durch zwei im Bundestagswahlkampf aufgenommene Darlehen juristischer Ärger mit der Bundestagsverwaltung drohe. Juristen, so das Magazin, würden die Kredite eines Hamburger Unternehmers in Höhe von jeweils 500.000 Euro als „verkappte Spende“ bewerten, da die Konditionen ungewöhnlich günstig seien. Lucke widersprach umgehend. Die AfD werde die Darlehen vollständig tilgen, versicherte er. Sollten durch die günstige Verzinsung geldwerte Vorteile entstehen, würden diese im Rechenschaftsbericht entsprechend ausgewiesen werden, teilte Lucke mit. Allerdings fielen Zinsen für 2013 aufgenommene Kredite erst 2014 an und müßten daher auch erst 2015 der Bundestagsverwaltung gemeldet werden.

Bereits in der vergangenen Woche hatte zudem ein Treffen dreier AfD-Landespolitiker mit Vertretern der Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) für Aufsehen gesorgt. Nachdem auf einer Pressekonferenz in Wien sogar eine Allianz zwischen AfD und BZÖ verkündet worden war, zog der Vorstand um Lucke die Notbremse. „Über offizielle Kontakte zu ausländischen Parteien und Organisationen entscheidet allein der Bundesvorstand“, heißt es in einem von Lucke verbreiteten Beschluß der Parteispitze, mit dem derlei außenpolitische Alleingänge von AfD-Funktionären künftig unterbunden werden sollen.

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