© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Für die ungeborenen Babys kämpfen
Lebensschutz: Da sie keine Beratungsscheine ausstellen, erhalten Vereine wie Pro Femina trotz gegenteiliger Rechtsprechung keinerlei staatliche Hilfe*
Friederike Hoffmann-Klein

Beratung und Hilfe stellen Entscheidungsfreiheit überhaupt erst her.“ Mit diesem vor allem an die Abtreibungslobby um die Beratungsorganisation Pro Familia (JF 31/12) gerichteten Satz beschreibt Kristijan Aufiero, Vorsitzender des Vereins „Pro Femina“, die Arbeit derjenigen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die auf eine Ausgabe des Scheins verzichten – aber gleichwohl hochqualifizierte, professionelle Beratungsarbeit leisten.

Buchstäblich Tag und Nacht sind Beraterinnen dieser Stellen, zu denen neben den genannten auch „Tiqua“ oder die „Stiftung Ja zum Leben“ zählen, für Frauen in der Not eines Schwangerschaftskonflikts erreichbar.

Einfühlsam, ganz der Frau zugewandt versucht die Beraterin, mit der Frau gemeinsam eine Lösung für ihren Konflikt zu erarbeiten. Sie nimmt sich die Zeit, die die Schwangere braucht, sie stellt sich ganz auf sie und ihre Situation ein, liest „zwischen den Zeilen“. Sie erinnert die Frau an ihre Stärken und führt sie damit „zu sich selbst“.

In keiner anderen Beratungsstelle erfahren Frauen ein solches Maß an Zuwendung, eine solch wertschätzende, sie bedingungslos unterstützende Beratung. Gleichwohl finanzieren sich diese Beratungsstellen ausschließlich aus Spenden.

„Mit dem Thema der staatlichen Finanzierung von Beratungsstellen für Schwangere im Konflikt habe ich mich zuletzt im Jahre 2007 beschäftigt“, erzählt Aufiero. „Damals bin ich nach intensiver Recherche zu dem frustrierenden Schluß gekommen, daß dieser Weg mit Hilfe politischer Spitzfindigkeiten und juristischer Tricks versperrt worden ist. Eine Klage anzustrengen, dafür haben wir weder Zeit noch Geld. Wenn wir einen Antrag stellen würden“, so Aufiero weiter, „würden wir doch nur an der 40.000er-Grenze scheitern.“ Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz muß je 40.000 Einwohner mindestens eine vollzeitbeschäftigte Beraterin vorhanden sein.

Wichtiger ist es Aufiero, durch Öffentlichkeitsarbeit auf ein Umdenken in der Gesellschaft hinzuwirken. „Wir verstehen uns als Hilfsorganisation, die so lange auf die Situation der ungewollt schwangeren Frauen hinweist, bis jeder begriffen hat, um was es hier geht. Nicht um ‘Selbstbestimmung’, sondern ganz im Gegenteil um eine schwere Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Frauen.“

Gleichwohl lohnt sich, die Frage der Finanzierung einmal näher zu untersuchen. Weshalb werden Beratungsstellen, die keinen Schein ausstellen, nicht staatlich gefördert?

Betrachtet man die einschlägige Rechtsprechung, so wird deutlich, daß auch Beratungsstellen, die keinen Schein ausstellen, von einer staatlichen Förderung nicht ausgeschlossen sind. So stellt das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 15. Juli 2004 fest, daß auch die Beratungsstellen, die die allgemeine Beratung nach Paragraph 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) durchführen und die damit keinen Schein ausstellen, einen Anspruch auf öffentliche Förderung haben. Nach diesem Urteil sind nicht nur Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen nach Paragraph 8 SchKG, sondern auch Beratungsstellen nach Paragraph 3 SchKG von den Ländern zu fördern, und zwar in Höhe von 50 Prozent der ihnen entstandenen notwendigen Personal- und Sachkosten.

Denn auch die allgemeine Schwangerschaftsberatung, so die Begründung, ist Teil des Beratungskonzepts. In diese Argumentationskette läßt sich ein weiterer, wesentlicher Baustein einfügen. Auch Beratungsstellen, die keine Scheinberatung durchführen, können genau das leisten, was eine Schwangerschaftskonfliktberatung ausmacht.

In seinem Urteil vom 28. Mai 1993 hat das höchste deutsche Gericht gefordert, daß der Staat die Beratung nur solchen Einrichtungen anvertrauen darf, die „nach ihrer Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Lebens, wie sie in ihren verbindlichen Handlungsmaßstäben und öffentlichen Verlautbarungen zum Ausdruck kommt, sowie durch das bei ihnen tätige Personal die Gewähr dafür bieten, daß die Beratung im Sinne der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben erfolgt“. Wenn man sich den Paragraphen 219 Strafgesetzbuch (StGB) ansieht, so tun „wir doch genau das, wir arbeiten zu 100 Prozent so, wie es dort steht“, bringt es eine Beraterin von „Pro Femina“ auf den Punkt.

Die schwangeren Frauen bestätigen diesen Eindruck. „Ich schreibe Ihnen heute mit einer schönen Nachricht: Vor über zwei Jahren habe ich mich völlig verzweifelt per E-Mail an Sie gewandt, da ich ungeplant schwanger war. Sie haben mich unheimlich unterstützt, aufgebaut, mir ganz viel Hoffnung und vor allem das Gefühl gegeben, daß die Situation – entgegen meinem Eindruck – keine Katastrophe darstellte.“

Kristijan Aufiero drückt es so aus: „Ein Schwangerschaftskonflikt ist eine Situation, die sich die betroffene Frau nie gewünscht hat. Was wir dieser Frau schulden ist: Wertschätzung, Anteilnahme, Hilfsbereitschaft und vor allem: Nächstenliebe.“ Davon, daß die staatlich anerkannten Beratungsstellen diese Maßstäbe erfüllen, könne in keiner Weise ausgegangen werden.

„Anstatt mich erst mal zu beruhigen, die Hintergründe zu erfragen oder mir auch nur ansatzweise wenigstens kleinste Hoffnungsschimmer aufzuzeigen, erklärte sie mir – auf meine Sorge hin, daß ich die Abtreibung psychisch nicht verkraften würde –, daß Frauen, die nach der Abtreibung psychische Schäden davontragen, nach der Geburt noch viel gefährdeter wären, psychisch zu erkranken, weil eine Geburt ja ein viel stärkeres Trauma sei als eine Abtreibung.“

Mit diesen Worten beschreibt eine Frau nach ihrer Abtreibung ihre „Beratungs“-Erfahrung mit Pro Familia. Sieht so eine qualifizierte, lebensbejahende Beratung aus? „Ideologie der Neutralität“ nennt es Aufiero. Dem nicht genug. Der vom Bund bezuschußte Bundesverband von Pro Familia propagiert ebenso wie sein internationaler Dachverband, die International Planned Parenthood Federation (IPPF), ein „Recht auf Abtreibung“. Bei einer solchen Ausrichtung sei klar, daß die Berater der Schwangeren nicht bewußt machten, „daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat“, wie es das Strafgesetzbuch formuliert.

Eine Beratungseinrichtung darf, so lautet die gesetzliche Vorgabe, weder organisatorisch noch aufgrund von wirtschaftlichen Interessen mit einer Einrichtung verbunden sein, in der Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Dies sei bei Pro Familia nicht gewährleistet, unterstreicht Aufiero. So führe etwa das Familienplanungszentrum Berlin e.V. Balance, das von Pro Familia Berlin getragen wird, selbst Abtreibungen durch. Aber nicht nur das, auch inhaltlich vertrete diese Einrichtung Positionen, die im Hinblick auf die Problematik der Abtreibung als verfassungswidrig einzuordnen seien. Dies werde etwa deutlich an der Verunglimpfung der Abtreibungsgegner, mit der sich das Familienplanungszentrum auf seiner Homepage präsentiert. Diese werden nicht nur begrifflich als „selbsternannte Lebensschützer“ diffamiert. Inhaltlich wird ihnen, in Verkennung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe, unterstellt, für ein Klima der Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs verantwortlich zu sein.

Wenn Beratungsstellen aus Gewissensgründen keinen Schein ausstellen, können sie nicht als Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen anerkannt werden, auch wenn sie sonst alle Merkmale einer Beratung erfüllen und in besonderem Maße den Anforderungen entsprechen, die das Bundesverfassungsgericht an eine Konfliktberatung stellt.

Wenn das Bundesverfassungsgericht eine dem Leben dienende Beratung verlangt, in der der Frau bewußt gemacht werden soll, daß das ungeborene Kind auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat, und zwar in jedem Stadium der Schwangerschaft, dann kann es an der inhaltlichen Qualifikation der beschriebenen Beratungsstellen keinen Zweifel geben, auch wenn sie sich mit dem Verzicht auf den Schein formal außerhalb des Beratungskonzepts stellen.

Nicht nur aus Gründen des Finanzbedarfs, so der langjährige Vorsitzende der Juristenvereinigung Lebensrecht, Bernward Büchner, bestehe deshalb für kirchliche Beratungsträger aller Grund, mit dem Förderungsanspruch zugleich ihren Alleinvertretungsanspruch gegenüber den Ländern mit Nachdruck zu vertreten.

Lebensschützer sehen so in der gegebenen Situation einen doppelten Skandal. Nicht nur, daß verdienstvolle Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen wie Pro Femina entgegen Recht und Gesetz nicht gefördert werden, sondern daß mit Pro Familia eine Organisation als Beratungsstelle anerkannt bleibt, die nach ihrer Grundposition einer Frau nicht das Bewußtsein vermitteln kann und will, daß das ungeborene Kind ein Recht auf Leben hat. Sieht Pro Familia in der Beratungsregelung doch eine Entmündigung und Diskriminierung und ist der Meinung, daß Frauen in Deutschland das Recht bekommen müssen, über ihren Körper selbst zu entscheiden.

www.1000plus.de

www.vorabtreibung.net

Foto: Ungewollt schwanger: Anteilnahme und vor allem Nächstenliebe bei der Beratung findet Frau nur selten

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