© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Nur auf dem Knaben liegt das Licht
Zum Ausklang des Wagner-Jahres: Das Mainfranken-Theater Würzburg präsentiert eine stimmige „Lohengrin“-Inszenierung
Sebastian Hennig

Eine der regsamsten Gliederungen der Wagnervereine ist der „Richard-Wagner-Verband Würzburg Unterfranken“. Das Programmheft des Mainfränkischen Theaters zum „Lohengrin“ dankt diesem an auffälliger Stelle für seine Unterstützung bei dieser Realisierung der Produktion. Der privaten Anteilnahme ist es wohl zu danken, daß in Kurt Josef Schildknechts Inszenierung das 1850 uraufgeführte Märchen vom Schwanenritter eine große romantische Oper sein darf. Neumodische Anklänge in den Kostümen von Götz Lanzelot Fischer taten dem Zauber keinen Abbruch. So posierten die Männer von Chor und Extrachor in der Montur eines zeitgenössischen Kriegs-söldnertums mit schwarzem Barett und gepanzerter Schutzweste.

Etwas überchoreographiert wirken die Bewegungen der Figuren. Wie ein Schneeleopard im Käfig läuft Johan F. Kirsten als König Heinrich I. in weißer König-Ludwig-II.-Uniform während seiner Rede rastlos hin und her. Etwas puccinihaft forciert mutet die Leidenschaftlichkeit von Telramund (Joachim Goltz) und Ortrud (Ruth-Maria Nicolay) an. Diese betätigt sich als Einbläserin für jenen, indem sie die Lippenbewegungen seiner Rede formt. Telramund muß sich dann setzen, als er von der Verletzung der Sorgfaltspflicht für ihren Bruder durch Elsa berichtet.

Diese Pantomimen überfordern etwas die Aufmerksamkeit und bringen Unruhe ins sonst wohlüberlegte Spiel. Daß der König sich in der besprochenen Vorstellung (1. Dezember 2013) textlich heftig versang und nicht nur Elsa, sondern zuvor auch Telramund fragte, ob er wolle, daß ein Kämpe für ihn streite, paßte unfreiwillig zu dem Umstand, daß dieser völlig unmännlich als Ortruds Marionette dargestellt ist.

Die sängerische Leistung gleicht die Forciertheit in der Bewegung wieder aus. Vor allem die kraftvolle Stimme von Joachim Goltz hebt sich mühelos über den Orchesterklang, ohne je lärmend zu werden.

Unzählig sind die Theateranekdoten um den „Lohengrin“. Und gerade wenn es einmal aufrichtig gemeint wird, bestätigt sich die Wirkung der hehren Handlung als Pannen-Magnet. So verhakte sich das Schwert des weißen Ritters im 3. Akt am Boden. Aber die arglose Spielfreude der Inszenierung ließ solche Details rasch vergessen.

Karen Leiber ist Elsa. Mehr braucht dazu nicht gesagt zu werden. Daß Scott MacAllister, einige Tage zuvor als Tannhäuser in der Semperoper in keiner Weise zu dieser restlosen Deckung mit dem Bühnencharakter gelangen konnte, die ihn als Würzburger Lohengrin auszeichnete, lag eben auch an jener Dresdner Inszenierung von Peter Konwitschny, die schon zur Premiere vor fünfzehn Jahren keinesfalls so frech und frisch wirkte, wie sie gemeint war, und sich heute endgültig als müde Klamotte offenbart. So etwas geht natürlich auch an Sängern nicht spurlos vorüber.

Im Gegensatz dazu war auch die Farb- und Lichtregie in Würzburg eindrucksvoll und stimmig. Die Ausstattung wurde im Rahmen der Koproduktion mit dem Nationaltheater Zagreb in den dortigen Werkstätten hergestellt. Die Wirkung der großen doppelläufigen Freitreppe, die in eine Tribüne ausgeht, ist an sich nicht gerade spannend. Für die Aufstellung des Chores und der Solisten bietet sie aber viele akustisch befriedigende Varianten. Zwischen den Stufen ist eine große Tür eingelassen, wie von einem Lastenaufzug. Diese gibt eine pyramidenförmige Vitrine mit dem ausgestopften Schwan frei. Das sieht ein wenig wie ein Umbau im Naturkundemuseum aus.

So übertrieben manche Gebärde der Solisten wirkt, so werden doch durch Gesten in den Gruppenbildern wichtige Augenblicke der musikalisch-dramatischen Gestaltung so deutlich wie selten. So wenn der rettende Wunderritter unverzüglich erscheint, sobald die bedrängte Elsa ihr Gebet unmittelbar an Gott richtet. Die Frauen umringen sie dabei auf den Knien. Deren zum Kranz gewundene goldene Flechten geben zum Violett der Gewänder ein sakral-feierliches Farbenspiel. Der Beleuchtung gelingen immer wieder solche Steigerungen. 36 Schwerter gehen strahlend in die Höhe beim Treueschwur auf den Schützer von Brabant.

Das Selbstverständliche ist an deutschen Theatern heute bereits ein Wagnis und nur in der Provinz ohne Schelte möglich. Gut für die Kunst, daß wir soviel Häuser noch verteilt in der Fläche unseres vielgestaltigen Landes besitzen und dazu Klangkörper vom Vermögen des Philharmonischen Orchesters Würzburg unter der letung von Generalmusikdirektor Enrico Calesso. Und ohne die begeisterte ehrenamtliche Verstärkung des Extrachors wäre diese Aufführung nicht möglich gewesen.

Besonders grandios war die Schlußwirkung. Da taucht die Vitrine mit dem Schwan oberhalb der großen Freitreppe wieder auf. Auf Ortruds letzte Haßrede stürzen mit Weh und Ach alle nieder und versinken in Dunkel. Und wie ein Illusionist entzaubert darauf Lohengrin das Tier in den Knaben Gottfried. Der heftet sich das Horn an die Seite. Im letzten Bild zum Verklingen der Musik steht der schmale Knabe mit gerecktem Schwert auf dem Thron. Nur auf ihm liegt das Licht. Das ist ein schönes hoffnungsvolles Bild, das die Erlösungshoffnung auf einen kindlichen „Führer“ wirkungsvoller von vergangenem Mißbrauch reinigt als alle geschichtskritischen Spitzfindigkeiten.

Die nächsten„Lohengrin“- Vorstellungen am Mainfränkischen Theater Würzburg, Theaterstr. 21, finden statt am 22. Dezember 2013 sowie am 12. und 31. Januar 2014, jeweils um 17 Uhr. Kartentelefon: 09 31 / 39 08-124

www.theaterwuerzburg.de

Foto: Lohengrin (Scott MacAllister), Elsa (Karen Leiber): Selbstverständliches ist heute bereits ein Wagnis

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen