© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Blick in die Medien
Dreht die Polizei bald die Musik ab?
Toni Roidl

Die Handy-App „Shazam“ identifiziert Radiotitel: Hält der Nutzer sein Smartphone vor den Lautsprecher, so zeigt sie automatisch Titel und Interpret. Tüftler des Landeskriminalamtes Sachsen kamen auf die Idee, die beliebte Technik für den „Kampf gegen Rechts“ nutzbar zu machen. Das intern „Nazi-Shazam“ genannte Programm soll „Rechtsrock“ melden – ein akustisches „Nazometer“.

Die Innenminister der Länder beraten nun, ob Ermittler die Software künftig einsetzen sollen, um mit ihrem Handy rechtsextreme Musik zu erkennen. Grundlage soll eine Liste der Lieder sein, die die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als „rassistisch oder neonazistisch“ eingestuft hat. Allein im vergangenen Jahr wurden 79 Tonträger indiziert.

Juristisch erfordert der Einsatz aber noch Anpassungen. So muß zunächst geklärt werden, ob es als akustische Raumüberwachung gilt, wenn ein Polizist bei einem Saalkonzert sein Handy zur Musikkontrolle in die Höhe hält.

Für den Einsatz spricht aber, so die Entwickler, daß Nazi-Shazam „Ressourcen schont und sehr schnelle Untersuchungen ermöglicht“. Die Technik beruht auf der „Registrierung von Audio-Fingerabdrücken“. Dolle Sache.

Fraglich ist, wie scharf die neue Technik eingestellt werden kann: Schlägt das Nazometer schon bei Songs von Frei.Wild aus oder erst bei Störkraft an? Geht der Alarm auch bei Heinos schwarzbrauner Haselnuß los? Und was passiert, wenn ein Verdächtiger die Nationalhymne pfeift – es könnte schließlich auch die schlimme erste Strophe gemeint sein?

Nazi-Shazam würde allerdings viele Jugendliche vor den Fängen Rechtsextremer retten, denn „Rechtsrock gilt als ‘Einstiegsdroge’ ins Neonazi-Milieu“, erläutert Spiegel Online. Mit dieser Argumentation soll der Überwachungsstaat ausgeweitet und Grundrechte (Artikel fünf) weiter eingeschränkt werden.

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