© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Trübe Aussichten
Große Koalition: Union und SPD wollen das neue Jahr mit Wohltaten beginnen, doch die Folgen der Euro-Rettung und die Energiewende könnten teuer werden
Paul Rosen

Die Große Koalition hat aus den Fehlern ihrer Vorgängerin gelernt. Startete das Bündnis von Union und SPD 2005 mit einer Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte, die vorher so nicht angekündigt war, geht die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel jetzt subtiler vor. Durch den Verzicht auf Beitrags- und Steuersenkungen, die entweder schon gesetzlich beschlossen oder von der Union im Wahlprogramm angekündigt worden waren, entgehen selbst Durchschnittsverdienern rund 1.000 Euro im Jahr. Die Große Koalition könnte die Deutschen aber noch teurer zu stehen kommen.

„Spätestens im Laufe des Jahres 2014 werden wir Deutschen – vor allem wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Griechenland, in Portugal und in anderen Ländern Südeuropas – von allen Seiten zur Kasse gebeten“, weissagte Altkanzler Helmut Schmidt (SPD). Sollte er recht bekommen, werden ein paar Punkte höhere Mehrwertsteuer nicht reichen, um Europa zu retten, und – wie Merkel in nahtlosem Anschluß an Helmut Kohl sagen würde – den Frieden zu bewahren.

Allein bei den europäischen Banken dürften sich faule Kredite in einem Umfang von einer Billion Euro befinden, für die ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden muß, soll nicht das ganze europäische Finanzsystem und damit auch die Staatsfinanzierung zusammenbrechen. Der von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der EU verhandelte Bankenrettungsfonds soll ein Volumen von 55 Milliarden Euro haben – mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist das nicht. Zahlen werden müssen die Bürger Europas, vor allem die Deutschen. Schäuble habe die Bürger „doppelt und dreifach an die Banken verkauft“, schimpfte die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Hinzu kommen weitere Hilfsmaßnahmen für Griechenland, dessen Sanierung völlig danebengegangen ist. Auch Frankreich und Italien haben massive Probleme.

Innenpolitisch dürfte die Energiewende den Politikern bereits jetzt schwer im Magen liegen und die Stromkunden weiter in Milliardenhöhe belasten. Die Regierung sieht sich einem Zangengriff ausgesetzt: Von Brüssel aus gibt es Einwände gegen die Entlastung energieintensiver Betriebe von den Stromabgaben. Gibt die Koalition hier nach, droht ein Absterben ganzer Industriezweige, weil sie nicht mehr konkurrenzfähig sein würden. Umgekehrt werden die Haushalte durch die EEG-Umlage, mit der die regenerative Stromerzeugung subventioniert wird, massiv zur Kasse gebeten: Von 2000 bis Ende 2012 zahlten die Deutschen rund 95 Milliarden Euro für den Bau von Windrädern und Photovoltaik-anlagen, deren energetischer Sinn und Nutzen umstritten ist. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) muß den Spagat schaffen, die Energieversorgung sicherer zu machen und zugleich die Ausgaben für die Stromerzeugung zu senken. Die Chancen stehen nicht gut, zumal es einen starken Druck gibt, die milliardenteuren Subventionen für die Besitzer von Wind-, Photovoltaik- und Biogasanlagen nicht anzutasten.

Die trüben europäischen und energiepolitischen Aussichten wollen Merkel und Gabriel durch Wohltaten für Rentner und Pflegebedürftige vergessen machen und damit auch Akzente für drei Landtagswahlen im nächsten Jahr (Sachsen, Thüringen, Brandenburg) sowie für die Europawahl setzen. Das Füllhorn mit Wohltaten wird geöffnet und soll verhindern, daß sich zu viele Wähler neuen Parteien wie der Alternative für Deutschland zuwenden. Der aus dem Bundestag ausgeschiedenen FDP werden noch in Sachsen und bei der Europawahl (wegen niedrigerer Wahlhürden) Außenseiterchancen eingeräumt.

Die Altersrente nach 45 Beitragsjahren, die Mütterrente und auch Verbesserungen in der Pflegeversicherung kommen den Alten zugute, die ein immer größeres Wählerreservoir bilden. Das schrumpfende junge Potential wird statt dessen mit Beitragsanhebungen belastet. Junge CDU-Abgeordnete, die auf die Belastung der jungen Generation hingewiesen hatten, verstummten nach Ermahnungen durch die Parteispitze rasch.

Mit dem Verzicht auf die gesetzlich beschlossene Senkung des Rentenbeitragssatzes von 18,9 auf 18,3 Prozent dehnte die Koalition die Verfassung bis an die Grenze des Zulässigen oder sogar weiter. Statt einer Gesetzesänderung gab es nur eine Ankündigung, der Beitrag werde nicht gesenkt. Die Bild-Zeitung rechnete vor, daß die Beitragszahler dadurch bis 2017 rund 24 Milliarden Euro verlieren würden und warf der Großen Koalition einen „Handstreich“ vor – „ein beispielloser Vorgang in der 64jährigen Geschichte des Deutschen Bundestages“.

Junge Menschen, Arbeitnehmer und der Mittelstand sind die Verlierer der neuen Legislaturperiode. Schäuble machte dies klar mit der Äußerung, es gebe keine Chance für Schritte, „die als Steuersenkungen verstanden werden könnten“. Im Gegenteil, die von der CSU in den Koalitionsvertrag gedrückte Pkw-Maut für Ausländer könnte sich wie von Zauberhand 2014 in eine allgemeine Pkw-Maut verwandeln und deutsche Autofahrer weiter belasten.

Da gegen die „kalte Progression“ im Steuerrecht entgegen der Ankündigung der CDU/CSU nichts getan wird, müssen vor allem Gering- und Mittelverdiener 2014 rund sechs Milliarden Euro mehr an Einkommensteuer bezahlen. Diese Koalition setzt weniger auf Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, sondern auf einen starken Fürsorgestaat, der Einkommen weitgehend nivelliert und Renten vom Leistungsprinzip entkoppelt, indem sie zum Grundeinkommen für jedermann erklärt werden. Die „Staatsdampfwalze“ (Welt-Herausgeber Thomas Schmid) rollt an. Marktwirtschaft und Freiheit hat sie im Visier.

Foto: Merkel und Gabriel auf der Regierungsbank des Bundestages: Steuersenkungen nicht mehr im Blick

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