© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Der letzte französische Klavierhersteller Pleyel gibt auf
Zerbrochene Flügel
Markus Brandstetter

Sie alle haben darauf gespielt: Chopin, Liszt, Debussy, sogar Strawinski. Georges Bizet hat darauf die Oper „Carmen“ komponiert. Die Rede ist von den Klavieren und Flügeln der Firma Ignace Pleyel et Cie in Paris. Hunderttausende standen einstmals in Wohnzimmern und Konzertsälen, in Cafés, Konservatorien und in Mansarden, wo die Virtuosen von morgen übten. Doch seit dem 31. Dezember 2013 ist alles endgültig vorbei: Die Firma Pleyel schloß ihre letzte Fabrik in Saint-Denis nördlich von Paris.

Begonnen hat alles 1807, als der aus Ruppersthal bei Wien stammende Ignaz Josef Pleyel – ein Jahr jünger als Mozart, Haydn-Schüler und selbst ein guter Komponist – nach Stationen in Straßburg und London in Paris mit der Herstellung von Klavieren begann. Anfangs sind es nur hundert Pianos im Jahr, denn es gibt ja noch Sébastien Érard, den aus Straßburg stammenden größten und besten französischen Klavierproduzenten, auf dessen Flügel Beethoven spielte. Schon 1860 baut die Firma Pleyel 1.200 Klaviere im Jahr, während Érard nur auf 900 kommt. 1865 wird Pleyels neue Fabrik in Saint-Denis eingeweiht. 300 Arbeiter und vier Dampfmaschinen bauen auf einem Industrieareal von fünf Hektar die besten französischen Klaviere. Reiche und Neureiche, Adel und Bürgertum: wer in Frankreich etwas darstellt, hat einen Pleyel im Wohnzimmer. 1889 baut Pleyel sein hunderttausendstes Klavier, die Firma steht im Zenit ihres Erfolgs.

Danach geht es aber abwärts. Die Franzosen haben den Aufstieg der Deutschen (Blüthner und Bechstein) und der Amerikaner (Steinway) zwar mitbekommen, aber sie reagieren nicht auf deren technische Innovationen. Während Steinway 1890 bereits seit 30 Jahren die Hölzer für den Klavierbau in Öfen trocknet, verwenden die Franzosen weiter die Freilufttrocknung, die neun Jahre dauert und enorme Kapitalmengen bindet. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sind die französischen Klavierhersteller technisch hoffnungslos abgeschlagen, aber jede Kritik daran, insbesondere in deutschen oder US-Musikzeitschriften, wird in Frankreich wütend zurückgewiesen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg spielt Pleyel in den Konzertsälen und Aufnahmestudios der Welt keine Rolle mehr, da dominiert jetzt Steinway. Pleyel geht durch immer mehr Hände, auch die von Banken und Finanz­investoren. Eine Fabrik nach der anderen schließt, bis nur noch die einstige Vorzeigeproduktion, die wie ein Industriemuseum aussieht, übrig ist.

Heute ist die Klavierproduktion der Welt fest in chinesischer Hand. 80 Prozent der im letzten Jahr produzierten 500.000 Klaviere wurden in China hergestellt, 100.000 alleine von Pearl River, dem größten Klavierhersteller der Welt in Kanton. Die chinesischen Klaviere sind billig und schlecht. Aber daran, daß es fast nur noch diesen Ramsch gibt, sind auch die Pleyels dieser Welt mitschuld.

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