© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Sender mit Humor
RTL: Der Kölner Fernsehsender wird 30, aber ist er auch erwachsen? Es gibt Gründe für Zweifel
Tobias Westphal

Im Stuttgarter Zoo Wilhelma untersucht eine Primatenforscherin bis zum Frühjahr 2014 das Fernsehverhalten von Zwergschimpansen. Über fünf Knöpfe können die Bonobo-Affen selber entscheiden, welche Art von Fernsehprogramm sie sehen wollen; es geht hierbei um Sex, Spiel, Essen oder Aggressivität. Bisher konnte festgestellt werden, daß die Affen am liebsten Action mögen.

Für den menschlichen Fernsehzuschauer ist das nichts Neues. Das Experiment an ihm läuft nun schon seit drei Jahrzehnten. Denn vor 30 Jahren, am 2. Januar 1984, um 17.27 Uhr ging RTL das erste Mal auf Sendung. An eine Hausbar lehnend (da weiß der Zuschauer sofort, was Programm ist!), haben sich zu Beginn die Moderatoren vorgestellt. Und dann ging es Schlag auf Schlag. RTL präsentierte ein sprechendes Auto namens Kitt und seinen Fahrer David Hasselhoff (der später durch seinen Gesang die Berliner Mauer einriß!).

Wenig später dann Erika Berger, die ganz Fernsehdeutschland in Sachen Erotik und Sex beriet. Wie konnten vor Erika Berger überhaupt schon Kinder gezeugt werden? Geschlechtsteile und die Quote schnellten nach oben. Gott sei Dank erfand RTL 1987 das Frühstücksfernsehen; von da an mußte man sich überhaupt nicht mehr mit seinem Ehepartner oder den Kindern unterhalten, sondern konnte auch früh direkt die Glotze einschalten.

Doch dem erfolgreichsten Privatsender Europas haben wir noch mehr zu verdanken. Wer erinnert sich nicht an die komplizierten Spielregeln bei „Tutti Frutti“?! Glücklicherweise haben sich ununterbrochen junge Mädchen frei gemacht, so daß Mann darüber gar nicht ins Grübeln kam. Legendär war auch die Show „Alles Nichts Oder?!“, bei der den Moderatoren Hugo Egon Balder und Hella von Sinnen Torten ins Gesicht geworfen wurden. Ein Traum.

Doch RTL hat uns allen auch im Leben geholfen: Bei der „Super Nanny“ lernten wir, wie freche Kinder auf die stille Treppe geschickt werden. Bei „Einsatz in vier Wänden“ mit Tine Wittler bekam der Zuschauer beigebracht, daß bei Messis trotzdem die Bude hübsch aussehen kann. Und „Rach, der Restauranttester“ warnte uns, trotz Hungers nicht sofort in jedes erstbeste abgeranzte Restaurant zu gehen.

In der Sendung „Der Bachelor“ mußte jede Feministin erkennen, daß ihr Kampf verloren ist und die Geschlechterrollen klar verteilt sind: Frau sucht reichen Mann. Frau sucht gutaussehenden Mann. Doch nicht mit RTL, diesem fantastischen Sender, der uns noch mehr mit den „Bauer sucht Frau“-Folgen lehrt: Frau sucht auch den müffelnden Schweinebauern, wenn es sein muß.

RTL läßt Frauen nicht im Stich. Wer schon mal „Punkt 12“ sah und Katja Burkard sprechen hörte, der weiß, daß kleine Sprachfehler einer gut aussehenden Nachrichtensprecherin bei RTL nicht schaden können. Und wer Kai Ebel kennt, der weiß, warum ihn RTL beim 25jährigen Jubiläum zum „Moderator mit dem schlechtesten Modegeschmack“ kürte. Der Kölner Sender hat Humor – und er engagiert sich für die Menschen, die nicht so viel Glück im Leben haben; also die, die tagsüber fernsehen müssen.

Im September 1992 startete „Hans Meiser“. Der Erfolg der Sendung löst einen Talkshow-Boom aus. Arbeitslose und Studenten konnten nun zu Hause rumsitzen und Vollidioten dabei zusehen, wie sie sich im Fernsehen wegen einer Lappalie anschrieen. Da Frauen den Pöbel noch besser im Zaum halten, durften später noch Ilona Christen und Bärbel Schäfer mit eigenen Sendungen täglich an den Start gehen.

Wer nun schon rumkrakeelte, das Ende des Abendlandes stehe kurz bevor und wir würden wegen dieser Talkshows an Verdummung sterben, der täuschte sich. Denn es kann immer noch schlimmer kommen. Das Schlimmere heißt „Real-Life-Format“: Wenn diejenigen, die genug Zeit haben, nicht mehr in Talkshows schreien, sondern vor einem Kameramann ihr erbärmliches Leben laienhaft nachspielen, dann hat ein Sender Großartiges geleistet. Die Laiendarsteller sind kurzzeitig beschäftigt, und der Zuschauer ist begeistert von der Sendung, denn er sieht auf der Mattscheibe Menschen seines Schlages. Und für RTL stimmten mit „Mitten im Leben“, „Verdachtsfälle“ und „Familien im Brennpunkt“ bisher die Quote – auch wenn diese nun, wie das Niveau, leicht sinkt. RTL, herzlichen Glückwunsch zum 30. Geburtstag – auf die nächsten drei Jahrzehnte voller Experimente an uns Zuschauern. Wir freuen uns darauf.

Foto: Glückwunsch: Von flachen Witzen bis zu spannender Unterhaltung ist bei dem Kölner Sender alles dabei

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