© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Ein Herz für alte Häuser
Individuell wohnen mit dem Landlust-Gefühl: Die Interessengemeinschaft Bauernhaus hilft mit Rat und Tat
Bernd Rademacher

Sollte es zeitgenössischen Architekten nicht zu denken geben, daß es so viele Liebhaber alter Häuser gibt? Statt kurzlebige Trends zu kopieren und bezugslos in die Umgebung einzufügen, haben Architekten früherer Jahrhunderte ihre Bauten in einen Kontext zur Umgebung gesetzt, zum Beispiel durch regionale Baustoffe oder traditionelle Formen. Alte Häuser repräsentieren ihre Region, während sich bei Neubauten das Gefühl verliert, in einer bestimmten Gegend zu sein. Wer in einer beliebigen Fußgängerzone ausgesetzt wird, weiß nicht, ob er sich in Kiel oder Kassel befindet.

Der Charakter von Altbauten stiftet Identität. Wer in einem alten Haus lebt, wohnt nicht „von der Stange“. Die Individualität bringt aber auch Probleme. Daß es keine rechten Winkel gibt, ist das geringste. Aber wie bestimme ich das Alter von Deckenbalken? Welche Anpassungen läßt der Denkmalschutz zu? Und wie erneuere ich den authentischen Lehmputz?

Käufern historischer Immobilien hilft die Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB). Die Initiative besteht seit über vierzig Jahren. Die inzwischen rund sechstausend Mitglieder setzen sich laut Satzung „für den Erhalt historischer Baukultur auf dem Land und in der Kleinstadt“ ein.

Dazu zählen Bauernhäuser, Landarbeiterkaten, Scheunen, Mühlen, Speicher und vieles mehr. Doch wenn die Interessenten diese Objekte erwerben, sind diese meist alles andere als Schmuckstücke. In strukturschwachen Gebieten stehen solche Gebäude häufig leer und verfallen. Dabei geht ein Teil nationaler Kulturgeschichte verloren.

Die IgB hilft durch Fachwissen und Erfahrung bei der Instandsetzung, ohne dabei trotz des Gebäudealters auf zeitgemäßen Wohnkomfort wie Heizung und Sanitäranlagen verzichten zu müssen. Neben dem Verbandsmagazin Der Holznagel (dessen Archiv auch auf CD-Rom erhältlich ist) bieten weit über hundert Kontaktstellen in allen Bundesländern Beratung vor Ort.

Doch IgB-Sprecherin Michaela Töpfer weist auf Anfrage noch auf ein weiteres Problem hin: „Wenn Menschen ein Objekt mit Geschichte wieder mit Leben füllen wollen und dafür in eine strukturschwache ländliche Region ziehen, geht das nur, wenn sie ihren Arbeitsplatz mitnehmen können.“

Auch dabei können Interessierte auf den Erfahrungsschatz der IgB zurückgreifen. Michaela Töpfer kennt erfolgreiche Beispiele von Familien, die mit der Zucht alter Nutztierrassen, der Vermarktung von Bio-Lebensmitteln oder der Eröffnung eines Ponyhofs neue Einnahmequellen erschlossen haben.

Das Jubiläumsjahr wird mit vierzig bundesweiten Aktionen begangen, um Öffentlichkeitswirkung zu entfalten. Es gab geführte Radtouren zu besonderen Objekten, Tage der offenen Tür und Seminare zur Altbausanierung. Die Verbandsarbeit richtet sich damit nicht nur an Eigentümer, sondern auch an Menschen, die einfach ein Herz für alte Häuser haben, ohne eines zu besitzen. Der Verein will damit das Bewußtsein für die Erhaltung der „Kulturlandschaft“ stärken: „Ein Haus steht ja nicht losgelöst im ‘Off’, sondern in einem dörflichen und landschaftlichen Zusammenhang. Das darf man nicht isoliert sehen, weil sich Region und Gebäude wechselseitig prägen, zum Beispiel durch typische Alleen oder Hecken. Wir wollen nicht von der Küste bis zu den Alpen dieselbe uniforme Futtermais-Steppe“, so Michaela Töpfer.

Darum ist die IgB nicht nur ein Hobbyzirkel, sondern versucht, politischen Einfluß auszuüben, zum Beispiel mit Appellen an Behörden und Landesregierungen. Mit einigem Erfolg: So zählen auch kommunale Institutionen zu den Mitgliedern, und öffentliche Stellen nehmen die Dienste der IgB in Anspruch.

Auf der Internetseite werden aktuelle Sanierungsprojekte dokumentiert, Objekte in der „Bauernhofbörse“ eingestellt sowie baurechtliche und -technische Fragen beantwortet. Hier kümmert man sich auch um Ufos – nein, keine Außerirdischen, sondern „Unbekannte Fundobjekte“, die alte Häuser manchmal hergeben. So wird beispielsweise eine seltsame Gußeisenpfanne als Plinseisen identifiziert – ein in Vergessenheit geratenes Backgerät.

„Im Zuge der Landlust-Begeisterung erleben wir eine Renaissance der ländlichen Kultur“, weiß Michaela Töpfer zu berichten. „Die Leute in der Stadt stellen sich Kartoffelkisten in den Keller, die auf dem Land seit jeher üblich sind, und feiern das als tolles Retro-Kultobjekt. Wir wollen aber keine künstliche Imitation, sondern eine Wiederanknüpfung an kulturelle Kontinuität.“

Foto: Niederdeutsches Hallenhaus in Unbesandten/Elbe: In sieben Jahren originalgetreu saniert

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